Pilgerweg-SerieDritte Etappe führt von Lindlar nach Wiehl

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Auf dem Kreuzweg: Stationen wie oben in Lindlar und hier in Engelskirchen zeigen an, dass man sich im katholischen Kernland befindet.

Auf dem Kreuzweg: Stationen wie oben in Lindlar und hier in Engelskirchen zeigen an, dass man sich im katholischen Kernland befindet.

Lindlar – Zugegeben, der Patron des Bergischen Landes war ein komischer Heiliger. Das geistliche Leben hat Engelbert von Berg zeitlebens (1185 oder 86 bis 1225) weitaus weniger interessiert als die politische Macht. Der Papst warf ihn vorübergehend aus der kirchlichen Gemeinschaft. Und seine Heiligsprechung wurde formal nie zu Ende gebracht. Aber immerhin: Engelbert ist im Martyrologium Romanum verzeichnet, dem offiziellen Verzeichnis der Seligen und Heiligen der katholischen Kirche. So gesehen ist das Bergische ein heiliges Land.

Kein Wunder, dass sich in seinem südlichen Teil ein Ort namens „Rom“ findet, das Ziel meiner Wanderung. Auf diesem Weg überschreite ich mehrmals alte konfessionelle Grenzen, denn das Oberbergische Land ist ein religiöser Flickenteppich. Diese Prägung hat an Bedeutung verloren. Vertriebene, Spätaussiedler und andere Zuwanderer haben für Durchmischung gesorgt, zugleich fühlen sich immer mehr Oberberger gar keiner Kirche zugehörig. Die konfessionelle Landkarte ist verblasst. Aber wer genau hinsieht, kann sie noch erkennen.

Die dritte Etappe meiner Wanderung durch den Kreis startet in Lindlar, im Schatten der katholischen Kirche St. Severin. Und weil es ja so eine Art Pilgerwanderung ist (und weil es der Zufall will), folge ich zunächst einer Passage des Jakobswegs, zu erkennen an der gelben Muschel auf Blau, durch Bolzenbach und Oberschümmerich.

Dein Reich komme

Als ich den Ort verlasse, zeichnet sich an der Kuppe zur Rechten eine einsame Kreuzwegstation ab. Diese Landmarken sind immer ein sicheres Zeichen dafür, dass man sich in katholischem Kernland befindet. Auf meinem weiteren Weg hinunter ins Aggertal und nach Engelskirchen begegnet mir ein weiteres Zeugnis der katholischen Neigung, dem Jenseitigen ein greifbares Bild zu geben: das hölzerne Kruzifix im Alsbachtal. Die Anlage mitten im Wald ist gepflegt, die Rhododendren geschnitten. Ein Spaziergänger, der mir entgegen kommt, meint wie ich: „Schön, dass sich jemand darum kümmert.“

Wort zum Sonntag: Presbyterin Beate Schirmer und Pfarrer Johannes Vogelbusch haben Gottesdienste übers Internet übertragen.

Wort zum Sonntag: Presbyterin Beate Schirmer und Pfarrer Johannes Vogelbusch haben Gottesdienste übers Internet übertragen.

Wieder ist es eine Kreuzwegstation, die kurz vor Haus Alsbach das Zeichen gibt, links abzubiegen, bald durchquere ich den katholischen Friedhof. Das eiserne Tor verheißt: „Adveniat regnum tuum“ (Dein Reich komme). Die hier sehr verbreiteten Grablichter, eigentlich eine katholische Sitte, werde ich auch später auf dem evangelischen Friedhof entdecken.

Zuvor aber treffe ich an der Christuskirche auf Pfarrer Johannes Vogelbusch und Presbyterin Beate Schirmer. Die Gründung ihrer Gemeinde ist eng mit der Industriellenfamilie Engels verbunden. Diese war Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem pietistischen Barmen ins katholische Engelskirchen gekommen und sorgte dafür, dass rund um ihre neue Textilfabrik ein evangelischer Vorort entstand, einschließlich der 1867 eingeweihten Kirche nebst angeschlossener Schule. Pfarrer Vogelbusch, selbst mit einer Katholikin verheiratet, berichtet, dass das konfessionelle Miteinander in Engelskirchen in früheren Jahrzehnten nicht einfach war. Heute komme man mit der katholischen Gemeinde gut aus, was ja auch immer mit den handelnden Personen zu tun habe. In der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass die ökumenische Zusammenarbeit aber noch Luft nach oben hat: „Da muss erst eine Pandemie kommen, bis dass wir einen gemeinsamen Ostergruß verteilen.“

Erzbergbau in der Silberkaule

Jenseits der Agger, noch in Sichtweite der Engelsvilla, liegt der evangelische Friedhof. Ich unterquere die Autobahn, die mit ihrem Bau Mitte der 1970er Jahre die neue wirtschaftliche Lebensader des Kreises wurde. Zurück auf dem Graf-Engelbert-Weg (X 28) laufe ich durch den Heckberger Wald, das größte Forstgebiet weit und breit. Wenn man in Oberberg einem Wolf begegnen will, sind hier die Chancen am besten. Einen einsameren Platz findet man nirgendwo im Kreis. Bis Ende des 19. Jahrhundert war mehr los im Wald. In der Grube Silberkaule wurde Erzbergbau betrieben. Vor 20 Jahren beendeten oberbergische Lokalpolitiker ihre Sonntagsreden noch gern mit dem Bergmannsgruß „Glück auf!“.

Ein Relikt aus anderen vergangenen Zeiten, nämlich des Kalten Kriegs, ist das Brächener Munitionsdepot, das ich danach erreiche. Hier haben inzwischen friedliche Kräfte das Regiment übernommen, zum einen die Natur, zum anderen die Feuerwehr, die das frühere Sperrgebiet nun als Übungsgelände nutzt.

Die Route durch Oberberg.

Die Route durch Oberberg.

Der nächste markante religiöse Wegpunkt ist die evangelische Kirche in Drabenderhöhe. Hier trafen sich einst zwei bedeutsame Handelswege, die westöstliche Brüderstraße und die südnördliche Zeithstraße. Zudem stießen zeitweise gleich drei Landkreise zusammen. Drabenderhöhe war auch eine konfessionelle Frontstadt an der Grenze von katholischem Herzogtum Berg und der evangelischen Reichsherrschaft Homburg. Von diesen Konflikten spüre ich nichts, als ich an der Kirche vorbeischlendere. Drinnen übt ein junger Organist.

Heiliger kann man nicht wandern

Nun, da es tief ins Homburgische geht, verlasse ich konsequenterweise den Graf-Engelbert-Weg und folge fortan dem Wanderzeichen X22. Richtung Elsenroth begehe ich die Brüderstraße, ein alter Bestandteil des durchgehenden Pilgerwegs (als Teil des Jakobswegs) von Görlitz nach Aachen. Diese Passage ist zudem als „Elisabethpfad“ gekennzeichnet, der zum Grab der heiligen Elisabeth von Thüringen in Marburg führt. Heiliger kann man nicht wandern.

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Dass mir noch selbst ein Heiligenschein wächst, scheitert daran, dass ich nicht zum Märtyrer tauge: Längst merke ich deutlich, dass meine Füße an Strecken von mehr als 15 Kilometern nicht gewöhnt sind. Dass die Route nun streckenweise auf dem nicht sehr religiösen „Bierweg“ verläuft, lässt meine Gedanken erst recht vom geistigen zum leiblichen Wohl abschweifen. Endlich geht es über den Wildtorkreisel hinab nach Wiehl. Doch Jammern hilft ja nichts: Die vierte und letzte Etappe wird noch etwas länger.