Schwanger und alleinAus Heimat verbannt – Der Fall Maria Eckenbach aus Nümbrecht

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Blick auf Schloss Homburg. Weltliche und kirchliche Obrigkeit befassten sich vor rund 250 Jahren  mit dem „Fall Maria Eckenbach“.

Nümbrecht – Diese Geschichte über die alleinerziehende unverheiratete Mutter ist aktenkundig, sie ist tatsächlich passiert. Dass wir sie 250 Jahre, nachdem sie passiert ist, nachlesen können, verdanken wir Günter Benz, der den Fall in alten Akten gefunden und aufgeschrieben hat. Die Geschichte handelt von Maria Eckenbach aus Nümbrecht, von ihren unehelichen Kinder, von einer gestrengen weltlichen und geistlichen Obrigkeit, von ihrer Verbannung aus der Heimat und die Suche nach einem Obdach.

Und so fing es an: Im Dezember 1769 gab es im Homburgischen Gerede. Von Mund zu Mund wanderte die Neuigkeit: Die unverheiratete Maria war schwanger – schon wieder! Um nach den Hintergründen zu forschen, zitierte Pastor Hengstenberg die Frau am 30. Dezember 1769 zu sich.

Heimatforscher Günter Benz entdeckt Geschichte von Nümbrechter Mutter

Der Heimatforscher und Lokalhistoriker Günter Benz, der kurz hinter der Kreisgrenze in Much wohnt, stieß eher zufällig auf das Drama, als er Berleburger Archivakten studierte. „Ich habe mir aus den Fürstlichen Archiven Berleburg eine Vielzahl von Dokumenten zukommen lassen und ausgewertet“, erklärt der Autor zahlreicher historischer Beiträge. „Darin fand ich diesen Vorgang Maria Eckenbach. Und der schien mir interessant, weil es vom Empfinden her doch so völlig fremd für unsere jetzige Zeit ist. Ich habe weitergeforscht, bis sich das vollständige Bild ergeben hat.“

Die junge Frau, die bereits einen unehelichen Sohn hat, erscheint wie gefordert beim Pastor, sie will aber erst nicht raus mit der Sprache, wer der Vater des Ungeborenen ist. Der Pastor – seine Äußerungen sind wie alle anderen in dieser Geschichte aktenkundig – weist sie darauf hin, dass „Gottes Allwissenheit, Heiligkeit und das letzte Gericht“ auch sie bedrohe.

Sie solle den Kindsvater nennen, auch, um Unschuldige, deren Namen in der Bevölkerung gehandelt werde, vor falschem Verdacht zu schützen. Andernfalls wolle er den Fall der Obrigkeit melden, „die wohl Mittel finden würde, dass sie die Wahrheit sagte“.

Maria verrät schließlich den Namen des Kindsvaters

Maria nennt schließlich einen Namen: Johannes Stöcker sei der Vater des Kindes – er habe ihr an einer Scheune „aufgepasst und sie herein in den Stall gezogen“. Es sei schon sein zweiter Übergriff gewesen. Dieser Johannes Stöcker ließ die Anschuldigung nicht auf sich sitzen. Am 17. Januar legte er auf der Homburger Kanzlei eine Klage wegen Verleumdung vor – gegen Maria Eckenbach, „diese übel berüchtigte Person“, und gegen Pastor Hengstenberg!

In dem überlieferten Schreiben heißt es, Stöcker habe darauf hingewiesen, dass Maria Eckenbach gegenüber den Kirchenältesten bereits zugegeben habe, die Schuld an ihrer „Beschwängerung“ trage „ein frembde unbekannte Person“, die ihr zwischen Nümbrecht und Wiehl beim Paffenberg begegnet sei, „welche ihr eine geladene Pistole auf die Brust gesetzt habe und sie dann wider ihren Willen dazu gezwungen worden seie“.

In seinem lokalhistorischen Aufsatz schreibt Günter Benz: „Stöckers Vorwürfe gegen Maria Eckenbach und besonders seine Aussage, diese halte sich vielfältig bei dem Pfarrer auf und habe bereits ein uneheliches Kind, dürfte zu üblen Spekulationen und Verdächtigungen Anlass gewesen sein.“

Junge Mutter aus Nümbrecht wird des Landes verwiesen

Nach einigem Hin und Her stellte sich irgendwann der Obrigkeit die Frage: Wie sollte Maria Eckenbach bestraft werden? Das wollten die Homburger Räte von ihrer Herrschaft in Berleburg wissen – beziehungsweise, wie sie schrieben, „bitten uns gnädigsten Verhaltensbefehl unterthänigst aus“. Geldstrafe? Oder Rutenschläge mit Landesverweis? In Berleburg setzte die gräfliche Regierung ausschließlich auf Landesverweis. Bei Rückkehr, so die Drohung, sollte es allerdings Schläge setzen.

Maria Eckenbach und ihre beiden Kinder mussten das Land verlassen – sie wurden sozusagen abgeschoben ins „Schwarzenbergische Land“. Denn: Wer die Herrschaft Homburg ins Ausland verlassen musste, musste nicht – im heutigen Sinne – Deutschland verlassen. Benz: „Wenn jemand von Nümbrecht nach Wallefeld wanderte, dann war er schon im Ausland.“

Wenig später verstarb ihr ältester Sohn im Kindesalter. Nach zwei Jahren richtete Maria Eckenbach eine Bittschrift an die Homburger Räte. Zwischenzeitlich war sie erneut schwanger – diesmal vom „Witwer Pickardt“. Den heiratete sie schließlich im September 1774 in einer Haustrauung in Halstenbach. In ihr Heimatkirchspiel Nümbrecht zurückkehren – dieser Wunsch blieb ihr allerdings versagt.

Beiträge zur Oberbergischen Geschichte: Marias ganze Geschichte in Band 14

Ihren Mann überlebte sie um fast 30 Jahre, fasst Günter Benz zusammen. Sie starb am 8. Dezember 1817 in Bünghausen. Johannes Stöcker übrigens hatte längst das Weite gesucht. Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn soll er seine Familie kurzerhand verlassen haben und in Niederländische Kriegsdienste eingetreten sein. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Der Fall Maria Eckenbach – ein Einzelfall? Ja – was die Vollständigkeit der Aktenlage angeht. Und inhaltlich? Günter Benz: „Das war überhaupt kein Einzelfall, uneheliche Kinder finden Sie in den Kirchenbüchern immer wieder, das ist gar nichts Sensationelles.“

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Der komplette Beitrag „Der Fall Maria Eckenbach“ von Günter Benz ist im kürzlich erschienenen Band 14 der Reihe „Beiträge zur Oberbergischen Geschichte“, herausgegeben von der Oberbergischen Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins, veröffentlicht worden.