Integrierter GeflüchteterWarum soll Seyed Mohsen Hoseyni abgeschoben werden?

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Asylrecht Symbol

Das Asylrecht steht nicht unbedingt im Einklang mit den Interessen des deutschen Arbeitsmarktes, wie der aktuelle Fall zeigt. (Symbolbild)

  • Nach seiner Abschlussprüfung sollte Seyed Mohsen Hoseyni nach Afghanistan abgeschoben werden – weil er sehr gut integriert sei.
  • Der Fall hat im Bergischen für große Diskussionen gesorgt.
  • Dr. Michael Ott, Sprecher des Kölner Verwaltungsgerichts, erklärt, warum es so weit kommen konnte und wie es nun weiter geht.

Wiehl – Seyed Mohsen Hoseyni lebt seit 2015 in Wiehl und hat vor kurzem seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik abgeschlossen. Doch jetzt sollte der 21-Jährige trotz guter Integration abgeschoben werden (hier lesen Sie mehr). Was sagt das Verwaltungsgericht Köln zu dem Fall?

„Es klingt paradox, aber rechtlich gesehen ist es tatsächlich so, dass eine gute Integrationsfähigkeit als Argument gegen ein Abschiebeverbot gelten kann“, erklärt Dr. Michael Ott, Sprecher des Kölner Verwaltungsgericht. Im Asylrecht werde ausschließlich die Situation im Heimatland beurteilt und die Frage, ob der Mensch dort im Falle einer Rückführung zurechtkommen würde.

Warum ist das im Asylrecht so?

Nach deutschem Recht geht es bei der Frage, ob jemand als Flüchtling anerkannt wird, nicht nur um politisches Asyl, den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention oder den subsidiären Schutz bei nicht-staatlicher Verfolgung, wie ihn vor allem Flüchtlinge aus Syrien genießen. „Es kann auch Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention greifen, der eine Abschiebung bei drohender Folter oder bei drohender unmenschlicher Behandlung verbietet“, so Ott.

Dazu könne auch eine drohende schlechte humanitäre Situation im Heimatland gehören – „nur in krassen Ausnahmefällen aber“, wie Ott betont. Und genau dies werde aufgrund der Rechtsprechung bei jungen, arbeitsfähigen Männern in der Regel ausgeschlossen: „Weil man davon ausgeht, dass die dort nicht in eine solche Situation geraten.“

Heißt das wirklich, dass Menschen, die sich nicht so gut integrieren, eher eine Chance auf Anerkennung als Flüchtling haben?

Im Prinzip ja. Zum Beispiel bei Kindern und Jugendlichen, denen eine emotional-soziale Störung bescheinigt werde. „Liegt die Diagnose so einer Krankheit vor, kann eine psychische Behinderung eine Abschiebung ausschließen“, bestätigt Ott. Fehlende Integration als solche führe aber nicht zu einem Abschiebeverbot: „Bei Menschen, die straffällig geworden sind, ist das zum Beispiel kein Argument für das Hierbleiben.“

Droht Seyed Mohsen Hoseyni jetzt tatsächlich die Abschiebung, wenn er keine Stelle findet?

Grundsätzlich ja, obwohl nach Afghanistan aus NRW derzeit nur in Ausnahmefällen abgeschoben wird – vorrangig männliche Gefährder und Straftäter. Das, so Ott, sei nun aber keine Frage des Asylrechts mehr, sondern des Ausländerrechts: „Nach der bestandskräftigen Entscheidung im Asylverfahren, kann er bei der Ausländerbehörde Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis stellen – zum Beispiel als qualifizierter Geduldeter zum Zweck der Beschäftigung.“ Den Antrag hat Hoseyni inzwischen gestellt.

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Wie sicher ist es dann, dass er eine Aufenthaltserlaubnis auch bekommt?

Die Entscheidung über den Antrag steht letztlich im Ermessen der Ausländerbehörde des Kreises. Diese Behörde war, wie die zuständige Dezernentin Birgit Hähn betont, bis zum Urteil mit dem Fall noch gar nicht befasst: Im Asylverfahren entscheidet zuerst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dann das Gericht. Jetzt wäre die Ausländerbehörde eigentlich verpflichtet, alle Vorbereitungen für eine mögliche Abschiebung zu treffen. Zunächst, so Hähn, habe die Behörde aber eine Duldung bis zum 30. April ausgesprochen, verbunden mit der Erlaubnis zu arbeiten. Hähn: „Natürlich sind wir bemüht, jemanden, der so gut ausgebildet ist, nicht abzuschieben.“ Eine Voraussetzung dafür ist aber der Nachweis einer Beschäftigung.

Wird Seyed Mohsen Hoseyni dann nicht abgeschoben?

Zunächst nicht, aber: Selbst wenn ihm eine Aufenthaltserlaubnis gewährt würde, gilt sie befristet für zwei Jahre. Erst nach fünf Jahren könnte er eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Danach könnte er sich um eine Einbürgerung bemühen.

Muss das Verfahren so laufen, dass jemand wie Hoseyni bis dahin damit rechnen muss, doch noch abgeschoben zu werden?

So sei nun mal die Rechtslage, daran müssten sich die Richter halten, sagt Dr. Michael Ott: „Es liegt nicht in unseren Händen, das zu ändern, sondern nur in denen der Politik.“ (kmm)