„Dankbarkeit erfahren“Peter Kamp hat als Ombudsmann in Rhein-Erft Spendengelder nach der Flut verwaltet

Lesezeit 4 Minuten
Die Verwüstungen nach der Flut in Blessem.

Das Hochwasser hat in Erftstadt zu schweren Verwüstungen geführt.

Als Ombudsmann war der frühere Präsident des OLG Kölns daran beteiligt, die Gelder aus dem Spendentopf der Stadt zu verteilen.

Peter Kamp hat als Ombudsmann bei der Verteilung des Geldes aus dem Spendentopf der Stadt Erftstadt an die Flutopfer mitgewirkt. Der Jurist war bis zu seinem Ruhestand Ende 2016 Präsident des Oberlandesgerichts Köln und zuvor Abteilungsleiter im nordrhein-westfälischen Justizministerium. Über seine Erfahrungen sprach er mit Ulla Jürgensonn.

Herr Kamp, erinnern Sie sich an Ihre erste Reaktion, als die Aufgabe des Ombudsmanns an Sie herangetragen wurde?

Es gibt Ereignisse, die sehr lange im Gedächtnis bleiben, und dazu gehört der Anruf von Frau Weitzel, der Bürgermeisterin von Erftstadt, gut zehn Tage nach der Flutkatastrophe. Sie fragte mich, ob ich bereit sei, die Aufgabe des Ombudsmanns, also eines Mittlers zwischen der Nothilfekommission, die über die Vergabe der Mittel entscheidet, und den Betroffenen zu übernehmen. Ich habe spontan ja gesagt, kurz mit meiner Frau gesprochen und noch mal angerufen und gesagt: Ja, mache ich.

Hatten Sie vorher irgendeine Beziehung zu Erftstadt?

Wir waren schon mal bei einem Italiener in Liblar, ansonsten nicht.

In wie Fällen mussten Sie schlichtend eingreifen oder besser gesagt, in wie vielen konnten Sie eingreifen?

Eingreifen ist vielleicht etwas missverständlich. Mir sind rund 500 bis 600 Fälle vorgelegt worden. Das waren Fälle, die mir die Nothilfekommission vorgelegt hat, weil sie beabsichtigte, von den Regelungen abzuweichen, was ja durchaus möglich war.

Peter Kamp, Ombudsmann für die Verteilung der Spenden nach der Flut.

Peter Kamp, Ombudsmann für die Verteilung der Spenden nach der Flut.

Und Fälle, in denen die Kommission beabsichtigte, dem Antrag nicht zu entsprechen. Ich bin aber in vielen, vielen Fällen von Betroffenen angesprochen worden, die mich um Unterstützung gebeten haben.

Was waren denn die strittigen Punkte, um die es da ging?

Natürlich die Höhe der Leistungen, aber viel entscheidender war der Zeitfaktor. Ich erinnere mich, dass ein Betroffener samstags anrief und sagte: Ich bin in Not, ich kann meine Rechnungen nicht bezahlen. Rechnungen für Arbeiten im Rahmen der Sanierung seines Hauses. Man muss sich die damalige Situation vorstellen. Es wurde Herbst, der Winter stand vor der Tür, und die Leute hatten kein Dach über dem Kopf. Sie brauchten eine Heizung, die Häuser waren teilweise mit ausgelaufenem Öl kontaminiert, die Elektrik funktionierte nicht, Abwasser funktionierte nicht, Wasser funktionierte nicht, und es war alles nass. Da musste ganz, ganz schnell geholfen werden. Andererseits waren die Spendengelder der Stadt ja treuhänderisch zur Verfügung gestellt worden, man konnte also nicht einfach auf eine Prüfung verzichten.

Welche Lösung ist für dieses Dilemma gefunden worden?

Wir haben uns entschieden, Abschläge zu zahlen — dafür hatte ich mich eingesetzt. Es kam etwas hinzu: Als ich mit meiner Tätigkeit begann, war völlig offen, wie viel Geld eingehen würden. Die erste Summe, die ich genannt bekommen habe, war zwei Millionen Euro. Mittlerweile sind es rund neun Millionen geworden, aber das wussten wir natürlich nicht. Deshalb waren wir erstmal zurückhaltend und haben Abschläge ausgezahlt, um nicht in die Lage zu kommen, dass nachher für den einen oder anderen nichts mehr da ist.

Waren Sie mit den Betroffenen in erster Linie über E-Mail und Telefon in Kontakt?

Ich habe auch Leute persönlich getroffen. Ich habe mir die Häuser angesehen, habe die Schäden gesehen, aber auch, was geleistet worden ist, wie toll die Eigeninitiative war. Das war schon sehr beeindruckend.

Gab es Schicksale und Geschichten, die Sie besonders berührt haben?

Ja, sehr viele. Da gab es einen alten Mann in einem Pflegeheim, der hatte ganz wenig, einen Fernseher und ein paar persönliche Sachen. Dann kam die Flut, und alles war weg. Nach den Richtlinien hätten ihm nur 20 Prozent ausgezahlt werden können. Damit war dem Mann natürlich nicht geholfen. Es ging nicht um Riesensummen, es ging um ein paar Hundert Euro. Da haben wir uns entschieden, ihm 100 Prozent zu erstatten.

Oder das Schicksal eines Familienvaters, der beim Versuch, Sachen aus dem Haus zu retten, verletzt worden war. Es gab viele sehr schwere persönliche Schicksale. Es gab Fälle, in denen Leute ihr Haus wieder hergerichtet hatten, dann aber nochmals aber von vorn anfangen musste, weil ausgelaufenes Öl von außen in die Wände eingedrungen war und das erst später sichtbar wurde. Ich denke auch an die Pferdehöfe, deren Tiere kurzfristig untergebracht werden mussten. Es gab Fälle, in denen Existenzen vernichtet waren.

Was ist Ihr Fazit nach Abschluss der Spendenverteilung?

Ich habe große Dankbarkeit erfahren. Wenn ich dem einen oder anderen helfen konnte, freue ich mich. Bis heute habe ich die Namen der Leute im Kopf, sehe die Menschen vor mir. Ich möchte aber auch betonen, dass die Stadt mit den Hilfeleistungen nach der Flut Großartiges geleistet hat.

Würden Sie es wieder tun?

Ja, jederzeit. Sofort.