Rhein-Sieg-KreisWie die Wähler die Stimmabgabe für Europa sehen

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Vier Personen sitzen an einem Tisch, davor eine Familie mit Baby und Kinderwagen

Nach dem Sonntagsfrühstück kam diese junge Familie ins Lohmarer Wahllokal.

Mit welchen Gefühlen geben Menschen in Rhein-Sieg ihre Stimme ab bei dieser  Europawahl, und warum wählen einige nicht? Eine Umfrage.

„Wir brauchen größeren Zusammenhalt in Europa.“ Roswitha Geilenberg überlegt keine Sekunde, als sie nach der Bedeutung der Wahl für sie persönlich gefragt wird. Sie mache immer ihr Kreuzchen, aber in diesem Jahr sei es doch etwas besonderes. Ihr Gatte Jochen Geilenberg merkt aber auch Kritik an. „Die Bürokratie in Europa ist zu aufgebläht.“ Er hofft auf eine Reform.

Mehr als 465.000 Wahlberechtigte leben im Rhein-Sieg-Kreis, rund ein Viertel hat sich für die Briefwahl entschieden, 186 Briefwahlbezirke gibt es in den 19 Städten und Gemeinden. Auch deshalb bildeten sich keine Schlangen mehr in den 397 Wahllokalen, „das Auszählen geht schneller“, weiß Marlies Wegemann, Helferin im Lokal Nummer 80 in Lohmar-Heide. Wie ihre drei Mitstreiter ist sie nicht zum ersten Mal dabei. „Ich sehe das als meine staatsbürgerliche Pflicht“, sagt Christin Marks. „Gerade in der jetzigen politischen Lage.“

Vier Personen sitzen an einem Tisch

Nicht zum ersten Mal Helfer im Wahlbüro (v.r.): Marlies Wegemann, Carsten Wegemann, Christin Marks und Burkhard Bröhl. Europawahl

„Wir wollen dafür sorgen, dass die AfD nicht an die Macht kommt.“ Das ist Gudrun Schmerling wichtig. Sie sieht die Stimmabgabe generell nicht bloß als Recht, sondern „als Bürgerpflicht“. Sie hätten noch keine Wahl verpasst, ergänzt Ehemann Joachim Schmerling.

Die heute für Europaparlament sei wichtiger denn je, wenn er in die Niederlande blicke. Dort gibt es schon erste Ergebnisse, die Ultrarechten hätten die Zahl ihrer Sitze von einem auf sieben gesteigert. „Diese Tendenz gilt es zu stoppen.“ Deutschland stellt 96 der 720 Abgeordneten.   

Eher resignativ hört sich hingegen eine junge Frau an, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will: „Es ist schon wichtig wählen zu gehen, ob es was ändert, weiß ich nicht. Aber wir haben eine Stimme.“

Ohne Europa hätte Deutschland nicht eine solche wirtschaftliche Stärke
Erstwähler Samuel Fürstenberg, 18-jähriger Abiturient

Für Erstwähler Samuel Fürstenberg war es keine Frage, wohin sein Weg nach dem Sonntagsfrühstück führt. „Ohne Europa hätte Deutschland nicht eine solche wirtschaftliche Stärke“, sagt der 18-jährige Abiturient. Sein Vater Guido Fürstenberg bestärkt ihn: „Wählen ist immer wichtig, nicht nur wegen des Rechtsrucks.“ Mutter Kirsten Obertz fand diese Wahl schon immer genauso bedeutsam wie jene auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene: „Für mich ist Europa eine Sache des Lebens.“

Und die Nichtwähler? Vielleicht finden wir diese am frühen Nachmittag auf dem Siegburger Markplatz, die Straßencafés ist kaum noch ein Platz frei. Überwiegend Kopfschütteln bei Jung und Alt, Singles, Pärchen, Familien, Antworten von „Wir haben schon“ bis zu „Wir wollen nichts sagen“.

Ein älterer Herr mit Fahrrad gesteht: „Politik ist für mich ganz weit weg, die Kandidaten: unbekannt, sieht man das ganze Jahr nicht, erst drei Wochen vor der Wahl auf Plakaten.“ Trotzdem habe er sein Kreuzchen gemacht, sagt der Siegburger, der seinen Namen nicht nennen will. Er sei als früherer Mitarbeiter des Kreises zu bekannt. „Wenn meine Frau hier wäre, könnten Sie sie befragen. Sie hat nicht gewählt. Kein Interesse!“   

Ein anderer, Handwerksmeister aus Neunkirchen-Seelscheid, schimpft drauflos: „Die Grünen machen unsere Wirtschaft kaputt, die müssen weg.“ Die Leute in Deutschland hätten spürbar weniger Geld zur Verfügung. So könne es nicht weitergehen. Bei dieser Wahl gehe es viel mehr als um einen möglichen Rechtsruck.