Krieg in der UkraineTatiana Klimenko flüchtete aus Saporischschja nach Lohmar

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RS 6 Monate Krieg

Tatiana Klimenko flüchtete aus Sa­po­risch­sch­ja. Jetzt arbeitet sie eh­ren­amt­lich im Lager von "Lohmar hilft".

Lohmar  – Vor einem halben Jahr, am 24. Februar , begann der russische Präsident Vladimir Putin seinen Krieg gegen die Ukraine, Millionen Menschen flohen. Darunter Tatiana Klimenko, 64, aus Saporischschja, die heute in Lohmar lebt.

Der 24. Februar

An den Tag erinnere ich mich genau. Ich bin Pensionärin, verdiente mir aber etwas Geld am Empfang eines Studentenwohnheims hinzu. Als ich nach der Arbeit nach Hause kam, dachte ich an nichts Schlimmes, aber mein Sohn sagte: „Es gibt Krieg, ihr müsst packen, die beiden Kinder nehmen und fliehen.“

Ich konnte das zuerst nicht glauben. Aber eine Woche später, als schon das Atomkraftwerk in unserer Stadt beschossen wurde, sind wir geflohen, meine Schwiegertocher Lisa, der zwölf Jahre alte Sascha und Maxim, der erst sieben Wochen alt war. Wir mussten uns mit vielen anderen Menschen in einen Zug quetschen, sogar die Toiletten waren überfüllt. Wir konnten hören, wie Raketen über den Zug flogen, alle hatten Angst.

Die Flucht

Wir haben überall gute hilfsbereite Menschen getroffen, in Lwiw, später auch in Polen und in Deutschland. Überall verteilten Freiwillige Essen, organisierten den Transport oder gaben uns eine Wohnung, wie in Kattowitz, wo wir zwei Tage in einer Unterkunft leben konnten, oder in Porobko in einem Sanatorium.

Und alle kümmerten sich besonders um den kleinen Maxim. In Polen fanden wir die Adresse eines Mannes aus Lohmar-Holl, der anbot, eine ukrainische Familie aufzunehmen. Stefan fuhr uns entgegen, am 15. März kamen wir in Deutschland an.

Angekommen

Stefan hat uns bei sich aufgenommen, einen Computer zur Verfügung gestellt und bei allen Dokumenten geholfen. Er und seine Mutter Margaret haben sich einfach um alles gekümmert, sind auch mit uns zur Lohmarer Tafel gefahren, um Lebensmittel zu holen.

Ich werde ihnen mein ganzes Leben dankbar sein. Nach einem Monat sind wir in das Pfarrheim der katholischen Kirche nach Lohmar-Neuhonrath gezogen. In der Gemeinde wurde Maxim katholisch getauft.

Lohmar hilft

Der Verein „Lohmar hilft“ hatte das Pfarrheim angemietet, um Flüchtlinge unterzubringen, auch das alte Pfarrhaus, in dem ich heute in einer Mehrgenerationenwohnung lebe. Ich arbeite ehrenamtlich im Zentrallager für Hilfsgüter des Vereins in Troisdorf-Spich und freue mich, anderen Menschen helfen zu können, die hier Hilfsgüter bekommen, Schulranzen, Hygieneartikel, Kleidung und vieles mehr.

Unser Vorbild hier im Team ist Manu Gardeweg. Sie hilft von ganzem Herzen, und uns kommt es so vor, als ob sie mehr als 24 Stunden am Tag arbeiten würde.

Zuhause

Ich möchte unbedingt nach Hause, ohne die Kinder wäre ich dort geblieben. Aber welches Leben erwartet uns dort? Unser Haus in Saporischschja steht noch, aber wenn das Atomkraftwerk schwer getroffen wird, wird das eine Katastrophe schlimmer als Tschernobyl. Ich selbst bin in Popasnaja im Gebiet Luhansk geboren. Dort ist schon alles zerstört, kein einziges Haus stehen geblieben. Popasnaja ist eine tote Stadt.

Der Krieg

Ich kann das alles nicht verstehen, wir haben früher gut gelebt, niemand hat einen Unterschied zwischen Russen und Ukrainern gemacht. Ich selbst habe Verwandte und Bekannte in der Nähe von Moskau. Jetzt will Putin die ukrainische Nation zerstören. Warum?

Die Ukrainer sind gute, warmherzige und gastfreundliche Menschen, die niemandem etwas getan haben. Das, was uns passiert ist, alles zu verlieren, die Flucht mit den kleinen Kindern, das wünsche ich keinem Menschen. Ich finde am schlimmsten, dass einfach kein Ende des Krieges abzusehen ist. Es ist schwer. Wir können nur beten.

Aufgezeichnet und übersetzt von Andreas Helfer