Unfall in Neunkirchen-SeelscheidProzess platzt wegen kranker Schöffin

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Siegburg/Neunkirchen-Seelscheid – War es ein üblicher Autounfall auf der Bundesstraße 507 oder eine gefährliche Drohung? Vor dem Schöffengericht wird ein kurioser Fall verhandelt. Beteiligt: ein 25-Jähriger am Steuer eines BMW und der 22-jährige Bruder seiner Ex-Freundin in seinem VW Golf.

Doch bevor das Gericht eventuell Antworten auf seine Fragen erhält, werden noch etliche Wochen vergehen. Denn der Prozess musste aufgrund gesundheitlicher Probleme einer Laienrichterin unterbrochen werden. Die Schöffin konnte offenbar der Verhandlung nicht mehr folgen, stand mehrfach auf und bekundete gar, ihr sei „langweilig“, es werde immer dasselbe erzählt. Der Vorsitzende Richter unterbrach daraufhin die Verhandlung nach eindreiviertel Stunden und setzte einen neuen Termin an.

Regeln für Gerichtsverfahren

Fällt ein Richter oder eine Richterin während der Verhandlung aus, muss ein Prozess komplett neu beginnen, Angeklagte und Zeugen müssen erneut aussagen und auch Gutachter ihre Berichte ein weiteres Mal vorstellen. Das gilt nicht nur für hauptamtliche Richter, sondern auch für Schöffen.

Schöffengerichte befassen sich mit Verbrechen. Die Mindeststrafe liegt bei einem Jahr Haft. Räumt der Angeklagte die Tat nicht ein, müssen alle Zeugen gehört, die Indizien und Gutachten gewürdigt werden. Die Beweisaufnahme kann Stunden oder mehr als einen Verhandlungstag dauern. (coh)

Zuvor waren die in dem Fall bekannten Fakten zur Sprache gekommen: Der 25-Jährige kam an einem Sonntagabend im September 2020 aus Neunkirchen und fuhr bergauf in Richtung Pohlhausen, als ihm auf seiner Fahrspur der Golf entgegenkam. Beide hätten abgebremst, der Zusammenstoß sei aber unvermeidbar gewesen, schilderte der Zeuge. Schon eine halbe Stunde zuvor habe es auf einem Supermarktparkplatz in Neunkirchen eine Begegnung gegeben, der Angeklagte ihn mit einem Baseballschläger bedroht.

Zeuge berichtet von Ablehnung seitens der Eltern der Ex-Freundin

Die Familie der Ex-Freundin, die aus Albanien stammt, habe die Beziehung nicht dulden wollen, die junge Frau sei einem anderen versprochen gewesen. Es sei sogar zu einer Aussprache unter den Eltern gekommen.

„Ihnen passte wohl nicht, dass ich aus einem anderen Land komme“, sagte der Zeuge, dessen Familie aus Mazedonien stammt. Der Golffahrer, 22-jähriger Lagerist, angeklagt wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, erzählte eine ganz andere Geschichte. Demnach kannte er den Unfallgegner nicht, habe erst nach dem Zusammenstoß von der Beziehung erfahren.

Der BMW sei ihm halb auf seiner Spur entgegengekommen, er habe mit seinem Golf nach links ausweichen wollen, um nicht nach rechts in den Graben zu fahren, doch in dem Moment habe der BMW-Fahrer ebenfalls gegengelenkt. Da alles so schnell ging, sei der Crash unvermeidbar gewesen. Der Beifahrer, einer seiner Brüder, bestätigte diese in groben Zügen diese Version. Auch er will den Unfallgegner vorher nicht gekannt haben.

Am Unfallort sei er von der Polizei sofort als Beschuldiger angesprochen worden, empörte sich der Angeklagte: „Meine Aussage wurde ignoriert.“ Ob die Polizeibeamten von der Vorgeschichte auf dem Discounter-Parkplatz Kenntnis hatten, blieb vorerst offen.

Der 25-Jährige hatte im Zeugenstand ausgesagt, die Polizei alarmiert, dann aber aus Angst erstmal das Weite gesucht zu haben. Er habe später auf Umwegen zum Parkplatz zurückgewollt, als der Unfall geschah, bei dem er leichte Verletzungen erlitt. Den Blechschaden schätzten die Beamten auf insgesamt 12.000 Euro. Im Oktober wird der Prozess neu aufgerollt.