Privilegien in der KritikSPD Rhein-Sieg pocht auf Trennung von Kirche und Staat

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Ingrid Matthäus-Maier, ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete bei einer Diskussionsveranstaltung des SPD-Arbeitskreises Säkularität und Humanismus im Rhein-Sieg-Kreis, steht im Bürgerhaus Stoßdorf Hennef an einem Rednerpult

Ingrid Matthäus-Maier bei einer Diskussionsveranstaltung des SPD-Arbeitskreises Säkularität und Humanismus im Rhein-Sieg-Kreis im Bürgerhaus Stoßdorf

Ingrid Matthäus-Maier bezieht im Bürgerhaus Hennef-Stoßdorf klare Positionen    

„Es besteht keine Staatskirche“, den Satz im Grundgesetz nimmt Ingrid Matthäus-Maier ganz genau, und sie hakt kritisch nach, wenn er ihrer Ansicht nach verletzt oder zu lasch ausgelegt wird: Im Bürgerhaus Stoßdorf zeigte die ehemalige Bundestagsabgeordnete etliche Beispiele der mangelhaften Trennung von Kirche und Staat auf. Zu einer Diskussionsveranstaltung hatte der SPD-Arbeitskreis Säkularität und Humanismus im Rhein-Sieg-Kreis eingeladen.

Vor 35 Besuchern fragte sie etwa, warum die  „Säkularen“ nicht wie die beiden großen Kirchen in Rundfunkräten vertreten seien oder warum die Kirchen keine Gerichtskosten zahlen müssen. Denn auch das gehe aus dem Grundgesetz hervor: Die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse sei untersagt. Die entsprechenden Bestimmungen seien sogar älter als die Bundesrepublik und gingen auf die Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 zurück.

Ich sehe nicht ein, dass ich Geld an Herrn Woelki bezahle
Ingrid Matthäus-Maier

Noch weiter in die Geschichte zurück gehen die Ansprüche, die Kirchen haben, wenn sie nach mehr als 200 Jahren für Enteignungen aus der Zeit Napoleons entschädigt werden. Eigentlich hätte es dazu schon längst eine Schlusszahlung geben müssen, so Matthäus-Maier.

Stattdessen hätten die Kirchen seit 1945 21 Milliarden Euro kassiert. „Die Koalition will das ändern, bis jetzt ist aber nichts passiert.“ 600 Millionen Euro sogenannter Staatsleistungen hätten die Bundesländer allein 2022 an die Kirchen bezahlt. „Ich sehe nicht ein, dass ich Geld an Herrn Woelki bezahle“, sagt die konfessionslose Matthäus-Maier. Kein Verständnis hat sie auch dafür, dass die Kirchen nach dem Staat der zweitgrößte Grundbesitzer in Deutschland seien und nicht einmal Grundsteuer zahlen müssten.  

Ehemaliges Bundestagsmitglied Ingrid Matthäus-Maier: Kirchenaustritt muss einfacher werden

Auch als Arbeitgeber kritisiert sie die Kirchen, wenn etwa Mitarbeiter nach Scheidung und Wiederheirat gekündigt werden, wogegen aber zunehmend bis in die höchsten Instanzen erfolgreich geklagt werde. „Da tut sich etwas.“

Viel leichter müsste ihrer Meinung nach auch der Kirchenaustritt werden. Ein einfaches Schreiben dazu müsse reichen, der Termin beim Amtsgericht, auf den man mitunter ein halbes Jahr warten müsse, gehöre abgeschafft. Matthäus-Maier macht deutlich, dass für sie die Kirchen im Fokus stehen, nicht das Bekenntnis anderer Menschen. ‚„Ich habe nichts gegen Religion, aber gegen die Privilegien.“ 


Der Arbeitskreis Säkularität und Humanismus (AKSH) geht auf einen Bundesparteitagsbeschluss der SPD zurück, eine erste Vorstandsklausur fand am 11. Dezember 2022 in Berlin statt.

Wichtige Themen sind „die verfassungskonforme Regelung der Arbeitnehmerrechte, der Schwangerschaftsabbrüche, der Fragen der Bildung, der Wissenschaft und des Gesundheitswesens sowie das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende und die tradierten Verhältnisse von Staat und Kirchen“.

Ein AKSH im Rhein-Sieg-Kreis wurde am 20. März dieses Jahres gegründet. Ziele sind unter anderem, die kirchliche Trägerschaft von Kitas, Schulen und Krankenhäusern zu hinterfragen und an allen Schulen das Fach Religion durch Praktische Philosophie zu ersetzen.