Cap AnamurEin Boot erinnert in Troisdorf an Leid und Hoffnung von Flüchtlingen

Lesezeit 3 Minuten

Troisdorf – Nur zwei Boote in ganz Deutschland erinnern an eine menschliche Tragödie vor 30 bis 40 Jahren, als 1,6 Millionen Vietnamesen über das südchinesische Meer flüchteten. Eines steht in Troisdorf, eins in Norddeutschland. Fast 250 000 Boatpeople (englisch: Bootsmenschen, Bootsflüchtlinge) fanden den Tod. Heute lauert das Grauen im Mittelmeer.

Rupert Neudeck initiierte damals Cap Anamur. Von 1979 bis 1987 holte die Organisation 11 349 Menschen aus der See. Als das erste Cap Anamur-Schiff 1982 ausgemustert wurde, kam es mit 366 Boatpeople und zwei der damaligen Fluchtboote in Hamburg an. Endstation für eines war Troisdorf, wo Neudeck lebt, und viele Vietnamesen eine erste Bleibe, manche eine neue Heimat fanden.

Daran erinnern das zehn Meter lange Holzboot und eine Stele auf dem grünen Plätzchen an der Ecke Frankfurter Straße/Siebengebirgsallee. Als das jetzt, zehn Jahre nach dem letzten Anstrich, renovierungsbedürftig war, standen einige Vietnamesen schnell bereit. Bug und Heck bekamen am Wochenende neue Teerpappe, der Rest einen konservierenden Anstrich.

Besonders fleißig unter den Helfern war Nguyen Van Ri, der früher in Troisdorf war und aus Mönchengladbach kam, wo er lebt und arbeitet. Er ist der einzige Vietnamese in Deutschland, der bisher das Bundesverdienstkreuz erhielt, und zwar für ehrenamtlich starkes Engagement bei der Caritas.

Vietnamesen in Augustin gut integriert

Neudeck erzählte, er treffe noch so viele Jahre danach sehr oft Vietnamesen. So ganz viele seien es in Troisdorf nicht mehr, dafür gebe es in Sankt Augustin eine starke Gruppe in einer katholischen Gemeinde. Die ehemaligen Boatpeople und ihre Nachfahren seien in vielen Gemeinden vor allem Norddeutschlands und in NRW anzutreffen. Und sie seien gut integriert. Als er vergangenes Jahr nach einem Herzflimmern eine Kardio-OP in Köln hatte, war der Oberarzt einer seiner früheren Bootsflüchtlinge. Neudeck: „Ich habe zu ihm gesagt, damals habe ich sie gerettet, heute sie mich.“ Zu dem Boot in Troisdorf kommen schon mal Gruppen oder Schulklassen und nehmen Platz. Etwa 30 Personen passen hinein und meinen, es sei ja eng.

„Diese Enge und dazu die Verzweiflung auf den Booten erleben wir heute wieder im Mittelmeer“, sagte Neudeck gestern im Gespräch. Dort ist der heute 76-Jährige mit seinen Grünhelmen ebenfalls im Einsatz. Sie unterstützen das Schiff Phoenix Moas, auf dem auch zwei Ärzte und Krankenschwestern von „Ärzte ohne Grenzen“ arbeiten.

Wenn die Cap Anamur-Leute im südchinesischen Meer Boatpeople gerettet hatten, mussten sie deren herrenlose Boote versenken, weil sie sonst eine Gefahr für andere Schiffe darstellten. Rupert Neudeck weiß nur von den beiden erhaltenen Flüchtlings-Booten in Deutschland. Und dafür, so erzählte er schmunzelnd, wollte der Zoll in Hamburg auch noch Einfuhrgebühr und Zoll. Als er drohte, das der Presse zu verraten, besannen sich die Zöllner aber ganz schnell anders.