„Struktureller Sexismus“#LinkeMeToo Debatte in der Bundestagsfraktion

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Linke-Fraktionssitzung 280422

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, gab eine Pressekonferenz zu Beginn der Fraktionssitzung seiner Partei.

Nach Vorwürfen sexueller Übergriffe innerhalb der Linkspartei in Hessen und weiteren Landesverbänden erreicht die Debatte um Übergriffe und strukturellen Sexismus auch die Linke-Bundestagsfraktion. Mehrere Abgeordnete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktion berichteten dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) in den vergangenen Tagen von einem sexistischen Klima, das in der Fraktion herrsche.

„Es gibt in der Fraktion ein strukturell diskriminierendes Verhalten gegen Frauen, das weibliche Abgeordnete einschüchtert“, sagte eine Linken-Abgeordnete dem RND. Männliche Abgeordnete würden Frauen anschreien und herabwürdigen.

Sexualisierende Sprüche stehen in der Kritik

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Auch gebe es mehrere männliche Linken-Abgeordnete, die Fraktionskolleginnen am Rande von Sitzungen auf ihre äußerlichen Merkmale ansprächen. „Da fallen sexualisierende Sprüche über die Beine oder Brüste von Abgeordneten, und wie aufreizend und erregend sie doch seien“, sagte eine Abgeordnete.

Über einige Vorfälle, über die in Fraktionskreisen hinter vorgehaltener Hand berichtet wird, wurde in der Linksfraktion bislang nicht offen gesprochen. Im Raum stehen etwa Vermischungen beruflicher und privater Beziehungen zwischen einzelnen Abgeordneten und jungen Mitarbeiterinnen, bei denen Alters- und Machtgefälle gezielt ausgenutzt würden.

„Sexismus und sexuelle Übergriffe“ wurden besprochen

Auch von einzelnen Fällen sexueller Übergriffe, die sich mutmaßlich im Bereich des Strafbaren bewegen, ist die Rede – und von einer Angst vor allem von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktion und einzelner Abgeordneter, offen darüber zu sprechen.

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„Struktureller Sexismus und sexuelle Übergriffe“ standen am vergangenen Dienstag auch auf der Tagesordnung der Linken-Fraktionssitzung. In geschlossener Sitzung wurde etwa über das Gesprächsverhalten von Fraktionsmitgliedern gesprochen. Die Debatte verlief nach RND-Informationen äußerst hitzig. Sie sei zu einem „Tribunal gegen Frauen“ geraten, sagen die einen im Anschluss. Andere Anwesende widersprechen dem.

Martina Renner äußert offen Kritik

Die Debatte um „Me Too“ in der Linksfraktion dreht sich nicht nur um mutmaßliche Handlungen einzelner Abgeordneter, sondern auch um den Umgang der Fraktion und des Fraktionsvorstands damit. In der Vergangenheit hätten sich bereits weibliche Abgeordnete beschwert und darum gebeten, nicht mehr neben bestimmten Kollegen sitzen zu müssen, sagte eine Abgeordnete dem RND. Der Fraktionsvorstand habe jedoch nie reagiert.

Eine, die offen Kritik am Umgang ihrer Fraktion mit solchen Vorwürfen äußert, ist Martina Renner. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion ist seit 2013 Mitglied des Bundestags. „Seitdem ich im Bundestag bin, kenne ich Fälle von männlichen Abgeordneten, die Kolleginnen gegenüber übergriffig geworden sind“, sagte sie dem RND.

Die Fraktion habe ein strukturelles Problem. „Es herrscht ein Grundklima, das auch übergriffiges Verhalten beflügelt. Es gibt Männer in der Fraktion, die sich alles herausnehmen und dafür bisher nie sanktioniert wurden“, so Renner.

In Einzelgesprächen seien keine Vorwürfe thematisiert worden

Die Linken-Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, sowie der erste parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte erklärten am Donnerstag, erst durch eine Anfrage des RND von den Vorwürfen zu sexuellen Übergriffen in der Fraktion Kenntnis erlangt zu haben. Sie schreiben außerdem: „Wir sehen in unserer Fraktion keinen strukturellen Sexismus.“

„Soweit in der Vergangenheit konkrete Beschwerden, etwa bezüglich einer unangebrachten Ausdrucksweise in einer Debatte in der Fraktionssitzung, vorgebracht wurden, hat das jeweils die Sitzung leitende Vorstandmitglied in der Regel umgehend reagiert“, heißt es im Statement der Fraktionsspitze. Amira Mohamed Ali habe in der vergangenen Legislaturperiode allen Abgeordneten Einzelgespräche angeboten, die auch überwiegend angenommen worden seien. Vorwürfe sexueller Übergriffe seien in diesen Gesprächen nicht thematisiert worden. (rnd)