Merkels EntlassungWie Bundespräsident Steinmeier von der Kanzlerin schwärmt

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Angela Merkel mit ihrer Entlassungsurkunde.

Berlin – Schnell geht es manchmal, ein paar Sekunden nur dauert es zum Beispiel, dann ist man nicht mehr Bundeskanzlerin. Oder jedenfalls nur noch geschäftsführend im Amt. Eine Urkunde, mit zwei Sätzen: Ende des Amtsverhältnisses, Dank für treue Dienste. Schon ist der Zustand ein anderer: Angela Merkel ist entlassen, so heißt das offiziell.

Mit beiden Händen hält Merkel die schwarze Mappe mit dem Bundesadler, sie hat es fast ein wenig eilig, davonzukommen, zu ihrem Stuhl neben den Ministern ihres Kabinetts. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ruft sie zurück. „Noch einen Augenblick, für die Kameras.“ Merkel macht kehrt, noch einmal lächeln, fast ein wenig vergnügt.

Direkt neben Olaf Scholz

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Nach der Konstituierung des neuen Bundestags ist sie ins Bundespräsidialamt gefahren, so sind die Regeln. 15 Stühle hat man dort für das scheidende Kabinett aufgestellt, acht in der ersten, sieben in der zweiten Reihe, säuberlich versehen mit dem Namen der Minister.

Ganz vorne rechts sitzt Merkel, direkt daneben der bisherige Finanzminister Olaf Scholz, der nun mal Vizekanzler ist, aber eben auch demnächst Kanzler sein will. Er müsste da nur einen Stuhl weiterrücken.

Der Bundespräsident hält eine Rede, lobend und ein wenig wehmütig

Vom „Ende einer Kanzlerschaft, die man zu den großen in der Geschichte der Republik rechnen darf“, spricht Steinmeier. Beispielgebend seien Merkels 16 Regierungsjahre gewesen, prägend für Deutschland und dessen Wahrnehmung in der Welt. Die Kanzlerin habe „unserem Land Achtung, Respekt und sogar Zuneigung erworben“ und auch für eine ganze Generation. Sie habe „eine neue, ganz eigene Form der Führung“ vorgelebt, in Jahren, in denen sich eine Krise an die nächste gereiht habe. Merkels Entscheidungen hätten Sicherheit und Verbindlichkeit vermittelt. 2015, als so viele Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Europa und Deutschland gekommen seien, habe sie großen Mut gezeigt und dafür gesorgt, dass Europa zusammenbleibe.

Die Passagen zu Merkel sind die persönlichsten, Steinmeier gerät geradezu ins Schwärmen. Es endet nicht nur die Kanzlerschaft Merkels, sondern ein noch längerer gemeinsamer politischer Weg: Vor fast 20 Jahren war Steinmeier Kanzleramtschef und Merkel Oppositionsführerin. Danach war er Außenminister und zeitweise auch Vizekanzler in ihrem Kabinett. Er hat 2009 gegen sie als SPD-Kanzlerkandidat verloren und war 2013 als SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer ihr Gegenspieler.

„So, ich glaube wir habens“

Steinmeier dankt auch dem Kabinett, er lobt die Corona-Politik und befindet, die Regierung habe sich der Spaltung der Gesellschaft entgegengestellt. Der Bundespräsident zählt auch die Leistungen des Kabinetts auf. Über 600 Gesetze seien verabschiedet worden. Beispiele aus der Familien-, der Sozial- und Rechtspolitik fallen ihm vor allem ein. Es mag ein Zufall sein, aber in diesen Bereichen hat die SPD die Ministerien geleitet, von der sich Steinmeier eine Verlängerung seiner Amtszeit im kommenden Jahr erhofft. Die Kanzlerin verfolgt die Rede fast unbewegt – bis Steinmeier sagt sagt, es gebe Kinder, die nach der langen Regierungszeit Merkels fragten, ob eigentlich auch ein Mann Kanzlerin werden könne.

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Da verzieht sich ihr Gesicht zu einem verschmitzten Lächeln. Dann zitiert Steinmeier noch aus einem Interview von 1991, dem Anfang ihrer politischen Karriere: „Meine inneren Mechanismen sind ganz intakt“, hat sie damals gesagt. Merkel lächelt wieder.

Die Urkunde noch, ein Gruppenfoto. „So, ich glaube wir haben´s“, sagt Steinmeier. Drei Mal hat Merkel diese Zeremonie bereits mitgemacht und ist danach wiedergekommen. Dieses Mal wird es anders sein.