Reform der Corona-RegelnDie Pläne der Ampel – und was sonst noch gefordert wird

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Symbolbild.

Das hatten sich die künftigen Ampelparteien anders vorgestellt – und nicht nur sie. Nach der Bundestagswahl sollte dank der Impfungen die lähmende Zeit der Corona-Pandemie vorbei sein. Stattdessen ist die Infektionslage schlimmer denn je: Am Montag stieg die Zahl der Neuinfektionen auf den höchsten Stand seit Ausbruch der Pandemie, die Intensivstationen laufen wieder voll. Der epidemische Ausnahmezustand soll trotzdem enden. Allerdings gibt es zwischen SPD, Grünen und FDP bereits Gespräche darüber, wie die Ausbreitung der Epidemie wieder gedämpft werden kann. Ein Überblick.

Wie wollen SPD, FDP und Grüne Corona bekämpfen?

Nach dem Wunsch der Ampelparteien soll die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November auslaufen. Der entsprechende Gesetzentwurf soll am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden. Damit würde der umstrittene Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes, der einen umfangreichen Katalog von Freiheitsbeschränkungen vorsieht, seine Gültigkeit verlieren. SPD, FDP und Grüne begründen das damit, dass angesichts des Impffortschritts derartige Grundrechtseingriffe nicht mehr zu rechtfertigen sind.

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Eine Übergangsregelung bis zum Frühlingsanfang am 20. März soll einige wenige Maßnahmen weiterhin ermöglichen, die die Länder beschließen können. Das geht aus einem ersten Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vor, der dem RND vorliegt und am Montag weiterhin in der Abstimmung zwischen den Ampelparteien und dem geschäftsführenden Gesundheitsministerium war.

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Demnach dürften die Sonderregelungen zum Kinderkrankengeld bis 2022 verlängert werden. Wer wegen der Corona-Pandemie erhebliche Einkommenseinbußen erleidet, kann zudem weiterhin vereinfacht Grundsicherung beantragen. Zu den möglichen staatlichen Maßnahmen gehören auch künftig Maskenpflicht, Abstandsregeln, bestimmte Auflagen für Bildungseinrichtungen (zum Beispiel Wechselunterricht) sowie Kapazitäts- und Zugangsbeschränkungen für Veranstaltungen, Restaurants oder Hotels (2-G- und 3-G-Regelungen). Auf bundeseinheitliche Regelungen wollen die drei Parteien verzichten. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte dazu im ZDF, das lasse sich aus ihrer Sicht nicht rechtssicher bundesweit machen.

Welche bisherigen Maßnahmen entfallen?

Der Paragraf 28a des nationalen Infektionsschutzgesetzes gab den Ländern bislang die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich oder Ausgangssperren zu erlassen. Zudem ist die Schließung von Bildungseinrichtungen, Geschäften, Hotels, Freizeiteinrichtungen oder Restaurants möglich. Die Länder können darüber hinaus Versammlungen, Demonstrationen oder Gottesdienste verbieten. Das alles soll ersatzlos entfallen. Zudem soll den Ländern die Möglichkeit genommen werden, durch Beschluss der Landesparlamente doch noch auf den ungekürzten Katalog möglicher Beschränkungen zuzugreifen. Zusammengefasst: Mehr als Maskenpflicht, Abstandsgebote, Wechselunterricht und 2G/3G ist den Ländern nach den Ampelplänen künftig nicht erlaubt.

Welche neuen Schritte diskutieren die Ampelparteien?

Die Abschaffung der kostenlosen Bürgertests gilt rückblickend als Fehler. Deshalb wollen SPD, FDP und Grüne die Testverordnung erneut ändern. Es wird aber noch diskutiert, wer unter welchen Bedingungen wieder einen kostenlosen Test erhält. So hatte der Grünen-Politiker Janosch Dahmen vorgeschlagen, Ungeimpften einen Gratistest nur nach einer Impfberatung zu gewähren.

Die SPD hat dem Vernehmen nach noch Vorbehalte gegen kostenlose Tests, weil sie wieder hohe Milliardenausgaben für den Bund befürchtet. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist nach Angaben seines Sprechers bereit, diese Tests vorübergehend wieder einzuführen, dazu sei er „im konstruktiven Austausch mit den Ampelkoalitionären“. Spahn hatte das Ende der Bürgertests auch vorangetrieben, um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen. Die Ampelparteien sind auf ihn angewiesen, weil er es als geschäftsführender Minister in der Hand hat, die Testverordnung zu ändern. Weitgehend unstrittig ist zwischen Ampelparteien und Gesundheitsministerium dagegen eine regelmäßige Testpflicht für das Personal, für Bewohner und Besucher von Pflegeheimen. Auch das muss in der Testverordnung geregelt werden.

Offen sind dagegen konkrete Regelungen für den Arbeitsplatz. Erwogen wird, wie in Italien 3 G am Arbeitsplatz einzuführen. Das würde für alle, die weder geimpft noch genesen sind, eine Testpflicht bedeuten. Die Details sind noch offen. Bisher sind die Arbeitgeber per Gesetz verpflichtet, jedem Beschäftigten mindestens zweimal wöchentlich einen Corona-Test anzubieten. Die Mitarbeitenden sind aber nicht verpflichtet, den Test auch vorzunehmen. Durch eine „Testannahmepflicht“ könnte das rechtlich geändert werden. Unklar ist, ob es dann tägliche Tests geben muss.

In diesem Zusammenhang wird in der Ampel auch darüber diskutiert, die Auskunftspflicht der Arbeitnehmer über ihren Impfstatus auf alle Branchen auszudehnen. Bisher müssen nur die Beschäftigen in Gesundheitseinrichtungen sowie in Schulen und Kitas dem Arbeitgeber wahrheitsgerecht darüber Auskunft geben, ob sie geimpft oder genesen sind. Gegen eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, etwa Pflegekräfte, gibt es bei den Ampelparteien große Vorbehalte. Befürchtet wird, dass die Betroffenen dann den Beruf verlassen und damit den Pflegenotstand noch vergrößern.

Welche Maßnahmen werden außerdem gefordert?

Angesichts rasant steigender Infektionszahlen haben Sachsen und Bayern ihre Corona-Regeln bereits verschärft. Von diesem Montag an haben in Sachsen nur noch Geimpfte oder Genesene (2 G) Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, etwa zu Innengastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder Fußballstadien. Auch Berlin plant 2-G-Regelungen. In Bayern sind bislang Menschen mit negativem PCR-Test (3-G-Regel) zugelassen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte im Deutschlandfunk jedoch bereits schärfere Regeln für ganz Deutschland, etwa eine bundesweite 2-G-Regelung sowie 3 G am Arbeitsplatz.

Ob es an den hohen Infektionszahlen liegt oder an den Einschränkungen für Ungeimpfte: Fakt ist, dass die Nachfrage nach Impfungen in etlichen Bundesländern wieder steigt. Sachsen, Berlin, Baden Württemberg und Niedersachsen etwa meldeten am Montag lange Warteschlangen vor Impfzentren und Impfmobilen.

Experten gehen davon aus, dass insbesondere 2-G-Regeln zu erhöhter Impfbereitschaft führen, und fordern deshalb deren Ausweitung. „Es geht nicht anders, als den Besuch etwa in der Gastronomie, Kino oder Museen nur noch Genesenen und Geimpften vorzubehalten“, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt dem RND. Für Aktivitäten mit besonders hohem Infektionsrisiko, etwa Discobesuche, fordert er sogar eine Testpflicht für Geimpfte.

Wie geht es jetzt politisch weiter?

Die Rufe nach einem neuen Treffen zwischen Bund und Ländern zur Abstimmung von bundesweit einheitlichen Regeln mehren sich. Neben CSU-Chef Söder forderten auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) eine neue Runde von Ministerpräsidenten und Bundesebene – wie bereits in der Vorwoche ihr Amtskollege und Parteifreund aus Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.

Gegen eine neue Corona-Ministerpräsidentenkonferenz sprachen sich zuletzt unter anderem FDP-Generalsekretär Volker Wissing und Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) aus. Die Verhältnisse vor Ort seien zu unterschiedlich. Wissing sagte dem Handelsblatt: „Entscheidungen muss der Bundestag treffen, nicht die Ministerpräsidentenkonferenz.“

Der Gesetzentwurf zur Aufhebung der epidemischen Lage soll nach der ersten Beratung in dieser Woche und einer darauffolgenden öffentlichen Expertenanhörung am 18. März im Bundestag beschlossen werden.

Der Bundesrat muss dem Gesetz in einer Sondersitzung zustimmen, damit es noch rechtzeitig vor dem 25. November in Kraft treten kann. Ob und wann die Testverordnung geändert wird, ist offen.