SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil„Der Vorsitz ist ein sehr reizvolles Amt“

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Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär, gibt ein Pressestatement in Berlin.

  • SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wird für den Posten des Parteichefs gehandelt.
  • Im Interview mit dem RND zeigt er sich dafür offen.
  • Bei den Koalitionsverhandlungen sieht er die Gemeinsamkeit von SPD, Grünen und Liberalen, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten.

Herr Klingbeil, nach dem angekündigten Rückzug von Norbert Walter-Borjans von der Parteispitze braucht die SPD schon wieder einen neuen Parteichef. Kann diese ungeklärte Machtfrage auch eine Belastung für die Koalitionsverhandlungen sein?

Klingbeil: Erst mal bin ich Norbert Walter-Borjans sehr dankbar für die zwei Jahre der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Auch dank ihm haben wir uns bei der Bundestagswahl von Platz drei auf Platz eins gekämpft. Wer ihm nachfolgt, werden wir bald klären. Seien Sie sicher: Das wird nicht dazu führen, dass die SPD in den Koalitionsverhandlungen anders auftritt als bisher.

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Seitdem Walter-Borjans gesagt hat, dass er nicht noch mal antritt, fällt auch immer wieder Ihr Name. Stehen Sie als neuer Parteichef zur Verfügung?

Es ehrt mich sehr, dass mein Name für die Aufgabe des SPD-Vorsitzenden genannt wird. Für mich ist wichtig, dass wir wie in den vergangenen zwei Jahren im Team arbeiten. Das hat die SPD stark und wieder erfolgreich gemacht. Die Aufgabe, die vor einer künftigen SPD-Führung liegt, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die SPD hat die Chance, sich langfristig als moderne und gut aufgestellte Volkspartei zu positionieren. Das ist nicht mit einer erfolgreichen Bundestagswahl getan.

Was wäre attraktiver für Sie: Parteichef zu werden oder ein Ministeramt zu übernehmen?

Das ist eine schöne Frage, die Sie mir sicherlich zwei Monate vor der Bundestagswahl nicht gestellt hätten. Klar ist, die SPD ist die älteste Partei Europas. Der Vorsitz ist ein sehr wichtiges, traditionsträchtiges und reizvolles Amt, in dem man viel bewegen kann.

Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines SPD-Chefs?

Die wichtigste Eigenschaft guter SPD-Chefs ist die Fähigkeit, die Partei zusammenführen zu können. Zweitens müssen Parteichefs gerade in der jetzigen Lage fähig sein, der SPD eine Sichtbarkeit jenseits des Regierungshandelns zu verschaffen. Das Dritte ist, dass wir den Wandel anpacken müssen: Mich ärgert, dass die SPD nicht erfolgreich genug im Bereich der Erst- und Jungwähler war. Das werden wir ändern – auch, indem wir die SPD über lange Zeit konstant mit guten Antworten auf dem Feld von Klima- und Digitalpolitik positionieren.

Mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans haben erstmals zwei Leute gemeinsam die SPD geführt. Sollte es bei der Doppelspitze bleiben?

Die Doppelspitze hat sich bewährt. Als wir sie als Möglichkeit eingeführt haben, stand die SPD ganz anders da als heute. Zwei Vorsitzende, die im Team arbeiten, tun der SPD gut.

Zurzeit haben die SPD-Chefs kein Ministeramt. Bleibt es dabei?

Grundsätzlich schließt es sich nicht aus, SPD-Vorsitzender zu sein und ein Ministeramt zu haben. Das hat es in der Vergangenheit auch schon gegeben. Dennoch müssen wir uns fragen: In welcher Situation sind wir aktuell? Die SPD tritt mit einem Kanzler Olaf Scholz in ein neues Regierungsbündnis ein. Die Partei erfordert eine hohe Aufmerksamkeit.

Was bedeutet das genau?

Als ich Generalsekretär der SPD wurde, habe ich gesagt: Ich möchte jeden Stein in der Partei umdrehen. Wir haben jetzt eine neue Fraktion im Bundestag – mit vielen jungen Menschen und vielen mit Migrationsgeschichte. Die Frauen haben eine stärkere Rolle. Wir haben uns als Partei in Verantwortung erneuert. Aber dieser Weg ist noch nicht vorbei.

Wohin wollen Sie die SPD weiter steuern?

Wir waren bei dieser Bundestagswahl erfolgreich, weil wir Fehler aus der Vergangenheit analysiert und abgestellt haben. Also können wir uns auch bei dieser Frage anschauen, was in vergleichbaren Situationen nicht gut lief. Als Gerhard Schröder 1998 Kanzler wurde, hat sich alles auf die Regierung konzentriert – und Oskar Lafontaine hat als Parteivorsitzender dem Kanzler das Leben schwergemacht, aber die Partei vergessen. So darf es nicht laufen, wir brauchen eine gute Zusammenarbeit zwischen Kanzleramt, Fraktion und Partei. Jeder hat dabei eine bedeutende Rolle.

Die einen müssen also im Maschinenraum die Partei überzeugen, die anderen erfreuen sich auf dem Sonnendeck der Regierungsämter.

Ich glaube nicht an eine Aufteilung zwischen Sonnendeck und Maschinenraum. Ich bin überzeugt, dass alle gemeinsam das Schiff am Laufen halten und dafür sorgen, dass es auf dem richtigen Kurs ist.

Bleibt es dabei, dass ein Duo sich vorher gemeinsam finden muss – oder kann es auch eher zufällig entstehen?

Ein Team an der Spitze der Partei muss funktionieren. Aber die beiden Vorsitzenden werden jetzt einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen machen, dem will ich nicht vorweggreifen.

Sie kennen ja Saskia Esken aus der bisherigen Zusammenarbeit mittlerweile sehr gut. Können Sie sich vorstellen, mit ihr zusammen eine Doppelspitze zu bilden?

Ich habe jetzt zwei Jahre als Generalsekretär sehr gut mit Saskia Esken zusammengearbeitet.

Gilt das mit der von Ihnen gewünschten Trennung von Partei und Regierungsamt nur für Esken – oder auch für Manuela Schwesig, falls sie antreten sollte? Sie ist als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern ja auch gut ausgelastet.

Ich finde es schön, dass wir so viele Frauen in der SPD haben, die bereit sind, Führungsverantwortung zu übernehmen oder das bereits tun. Wenn ich beobachte, dass Friedrich Merz gefühlt zum 18. Mal mit immer den gleichen Männern um den CDU-Parteivorsitz kämpft, bin ich im Vergleich sehr stolz auf die SPD.

Das ist keine konkrete Antwort auf die Frage.

Aber trotzdem eine, die mir gefällt.

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