Neue Serie von Roland Emmerich„Those About to Die“ zeigt das Spektakel des antiken Rom

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Auf dem Bild ist eine große Arena zu sehen. Es findet ein Wagenrennen statt. Die Wagen fahren um ein Monument inmitten der Arena herum, darauf thront eine Statue.

Szene aus einer Episode der Serie „Those About To Die“

Roland Emmerichs Serie enftührt sein Publikum in das alte Rom, inklusive Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe.

Das Tuch fällt. Als es den Boden berührt, öffnen sich die Tore, aus denen die Quadrigen in den Circus Maximus fliegen. Man sieht aufwirbelnden Sand, ruckende Pferdeköpfe. Die Peitschen der Lenker schnappen zur Seite nach den gegnerischen Fahrern. Eine Kutsche verliert ein Rad, überschlägt sich samt ihrer vier Rösser, und der schwer verwundete Formel-4-Pilot, der sich viel zu langsam aus der Gefahrenzone robbt, gerät unter die Hufe der nachfolgenden Gespanne. Wie sich das seit William Wylers „Ben Hur“ (1959) in Monumentalfilmen so gehört.

Das römische Volk johlt, der Zuschauer ist im Bann antiker Unterhaltung. Zehn Stunden Altes Rom, das ist das Versprechen, das Serienschöpfer Robert Rodat (Drehbuch zu „Der Soldat James Ryan“) sowie die Regisseure Roland Emmerich („Independence Day“) und Marco Kreuzpaintner („Krabat“) dem Publikum geben. Und Altes Rom ist immer große Kirmes. 140 Millionen Dollar hat die amerikanisch-deutsch-italienische Serie verschlungen.

Anthony Hopkins lässt als Vespasian eine Arena fürs Volk errichten

Es geht zurück ins Jahr 79 nach Christus. Der erste flavische Kaiser Vespasian (Anthony Hopkins) hat nach den Wirren des Vierkaiserjahrs die Schrecken seines julisch-claudischen Vorgängers Nero überwunden und die Staatskasse saniert. Er lässt von judäischen Bautrupps das Flavische Amphitheater errichten, ein Stadion (heute als Kolosseum bekannt), das dem Volk gehören soll.

Die Römer brauchen Spiele, so verrät es uns der Erzähler und Protagonist Tenax („Game of Thrones“-Star Iwan Rheon), der das größte Wettbüro der Stadt führt. Dies umso mehr, als es zur Handlungszeit an Brot hapert. Es kommen keine Getreideschiffe aus Ägypten mehr im Hafen von Ostia an. Eine Hungersnot droht, am Kai steht wütender Plebs. Einstweilen übertönen die Wagenrennen noch das Magenknurren, aber Anarchie und aufgeschlitzte Patrizierkehlen sind, das weiß Vespasian, nur ein paar ausgefallene Mahlzeiten entfernt.

Die Spiele sind geschmiert. Tenax’ Freund Scorpus (Dimitri Leonidas), einer der Fahrer der blauen Fraktion (es gibt noch weiße, rote und grüne von Patriziervermögen finanzierte Wagengruppen), weiß genau, in welcher Runde er sich an die Spitze setzen muss, um die Gewinne des Wettmeisters zu maximieren.

In „Those About to Die“ zeigt Roland Emmerich die Geschichten von Gladiatoren

Noch andere Geschichten erzählen die Macher. Die der Afrikanerin Cala (Sara Martins-Court), die ihren von Rom geraubten Kindern in die Ewige Stadt folgt, um die Töchter Aura und Jula aus der Sklaverei zurückzukaufen und ihren Sohn, den „Löwenfänger“ Kwame (Moe Hashim), aus dem Gladiatorencamp zu holen. Ferner die Geschichte dreier andalusischer Brüder, die ihre weißen „fliegenden Hengste“ zu den Markenzeichen der neuen „fünften, goldenen Fraktion“ machen, mit der Tenax seinen Reichtum vervielfachen und in der Gesellschaft aufsteigen will.

Zudem die Geschichte der Gladiatoren Kwame und Viggo (Jóhannes Haukur Jóhannesson), die Freunde werden und einander beistehen – etwa gegen Flama, einem Stadionmonster von Ich-bin-zwei-Öltanks-Ausmaßen. Die der rivalisierenden Kaisersöhne Titus (Tom Hughes) und Domitian (Jojo Macari). Die der judäischen Prinzessin Berenike (Lara Wolf), die Titus liebt (Mozart-Fans kennen den Stoff als Oper). Und die des Konsuls Marsus (Rupert Penry-Jones) und seiner Frau Antonia (Gabriella Pession), die den Großbau der Flavier stoppen wollen – und die Bauherren gleich mit.

Jojo Macari spielt Kaisersohn Domitian von Anfang an als irren Sadisten

Der alte Kaiser Vespasian ist weise und beliebt, der von ihm vorgesehene Nachfolger Titus erscheint zumindest in der Serie als besonnener möglicher Thronfolger, bereit, das Werk im Sinn des Vaters fortzusetzen.

Es gibt aber noch einen jüngeren, ehrgeizigen Bruder: Schon beim ersten Augenrollen des englischen Schauspielers Jojo Macari als Domitian erkennt man, dass hier ein narzisstischer, unfähiger Cäsarenaspirant irrlichtern wird. Macaris Domitian fügt sich in die Tradition von Peter Ustinovs Nero, Jay Robinsons Caligula und Joaquin Phoenix’ Commodus. Laut dem römischen Schriftsteller Sueton (in dessen „Cäsarenleben“) wurde Domitian allerdings erst gegen Ende seiner eigenen Herrschaft (81–96 n. Chr.) seltsam. Egal.

Die Serie nimmt es mit der Geschichte nicht zu genau

All diese Kaiser starben für Hollywood sowieso anders als in Wirklichkeit und so ist Geschichte auch in „Those About to Die“ nur ein grober Orientierungspunkt. Bitte keines der hier gezeigten Ableben im Geschichtsunterricht zitieren. Und auch sonst: It’s entertainment – Wirkung steht immer über Wahrheit.

Es gibt auch Ansätze der Macher, die Gegenwart in der Vergangenheit zu spiegeln. In ihren besten Momenten beunruhigt die Serie – angesichts der neu aufstrebenden Faschismen unserer Tage, über die Emmerich sich in Interviews zutiefst besorgt zeigt – in der Darstellung gefährlicher Allmacht und der sie umschwirrenden Korruption. Rom ist Kaiserreich. Es steht und fällt mit der Stärke und Menschlichkeit seines jeweiligen Herrschers.

Und wenn internationale Lieferketten nicht funktionieren, wird ein gesittetes Volk im Handumdrehen zum ängstlich-zornigen Mob – auch das zeigt die Serie. Als nach dem großen Ausbruch des Vesuv Zehntausende aus Pompeji und Herculaneum gen Rom ziehen (die Naturkatastrophe wird gefilmt, als könnten die Römer den 200 Kilometer Luftlinie entfernten Vulkan tatsächlich bersten sehen), plant Marsus, die Flüchtlingsproblematik politisch zu nutzen. Das alles wird aber nicht vertieft, sondern bleibt eher an der Oberfläche.

Auf der großen Rom-Kirmes fährt lange Zeit nur ein Karussell

Apropos Oberfläche: Rom sieht super aus, die Serie ist ein Hingucker, zieht den Zuschauer mittels ihrer Kulissen, Ausstattung und Kostüme an sich. Und wann immer die Hörner die Spiele ankündigen, sieht man die Millionen, die „Those About to Die“ verschlungen hat. Problem ist nur, dass auf dieser großen Kirmes fast immer nur ein Karussell fährt.

War vor 65 Jahren in „Ben Hur“ das Wagenrennen der einsame Höhepunkt von 212 – heutige Sehgewohnheiten berücksichtigend – recht langen Minuten, so läuft die von Wylers Film eindeutig inspirierte Quadrigasause in „Those About to Die“ immergleich und alle naslang ab, und benötigt in den letzten beiden Rennen noch eine persönliche First-Blood- und Rachegeschichte, um den „Bitte nicht schon wieder“-Impuls beim Betrachter zu verhindern.

Als dann das Flavische Theater öffnet, geht die Serie noch einmal in die Vollen. Kämpfer, wilde Tiere, das Oval wird sogar geflutet, und ein Schiff fährt herein. Von überall im gewaltigen Bau kann man gleich gut auf das Geschehen blicken. Da staunen die Römer – eine Bauweise, die noch die heutigen Stadien prägt. In denen allerdings keine riesigen CGI-Raubtiere die unteren Tribünen erklimmen, um mal nachzuschauen, wie das Publikum so schmeckt.

Die Charaktergestaltung überzeugt nicht immer

Die Figurengestaltung ist nicht immer überzeugend. So glaubt man vor allem, in den Schurken Tenax und Scorpus, lange Zeit liebenswerte Antihelden, zwielichtige Kerle mit einem guten Kern auszumachen. Und liegt am Ende falsch.

Und wie der arme Kaiser Titus in der letzten Episode ohne jede Not die weltbeste Chance verpasst, sich nur mit einem Daumenschwenk der unerschütterlichen Liebe seines Volkes zu versichern, ist ebenso unverständlich wie seine Bereitschaft, potenziellen Attentätern die Klinge zum Cäsarenmord in die Hand zu drücken. Muss der irre Domitian schon ein Jahr früher auf den Thron als historisch verbürgt?

Zumindest würde er als Princeps eine (mögliche) zweite Staffel unberechenbarer machen. Bei ihm sind nicht nur Gladiatoren Todgeweihte.

Zur Serie

„Those About to Die“, zehn Episoden, Idee: Robert Rodat, Regie: Roland Emmerich, Marco Kreuzpaintner, mit Iwan Rheon, Moe Hashim, Dimitri Leonidas, Jojo Macari, Sara Martins-Court, Anthony Hopkins, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Lara Wolf, Tom Hughes, Alicia Edogamhe, Kyshan Wilson, Goncalo Almeida (ab 19. Juli bei Amazon Prime Video).