Debatte zur Kinderbetreuung in NRWTrotz guter Versorgungslage muss sich Köln beim Offenen Ganztag anstrengen

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Das Bild zeigt Schüler in der Mensa der Gesamtschule Barmen in Wuppertal - ab 2026 soll es einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Offenen Ganztag geben.

Mittagspause in der Ganztagsschule

Personal- und Raumnot – vor der Realisierung des Rechtsanspruchs auf einen Platz im Offenen Ganztag in NRW bis 2026 stehen hohe Hürden.

Bis zum Rechtsanspruch für Familien für ihre Kinder einen Platz im sogenannten Offenen Ganztag in Nordrhein-Westfalen zu bekommen, ist es gar nicht mehr so lange hin: Vom Jahr 2026 an soll es ihn geben.

Nicht allein die Opposition im NRW-Landtag beklagt allerdings zahlreiche Hindernisse, die der praktischen Umsetzung dieser Rechtsgarantie im Wege stehen könnten. Auch Elternverbände weisen darauf hin, dass es an Fachpersonal wie vielfach an geeigneten Räumen fehlt. Zu diesem Schluss kommt ebenfalls ein Gutachten des Instituts für soziale Arbeit, das Grundlage einer gemeinsamen Sitzung des Schul- und Familienausschusses war.

Auch wenn häufig über ausbleibende Betreuung geschimpft wird – die Autorinnen und Autoren der Expertise, zu denen der Berliner Sozial- und Zivilrechtler Johannes Münder und der Bochumer Fachmann für öffentliches und Verwaltungsrecht, Jörg Ennuschat, zählen, kommen zu dem Ergebnis, dass Nordrhein-Westfalen beim Ausbau des Offenen Ganztags gar nicht schlecht dasteht.

Über 90 Prozent der Grundschulen im Land sind als Ganztagsschulen ausgebaut. Und auch das Zusammenspiel im Trägermodell von Schulen einerseits und Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe andererseits funktioniert. Was gut klappt, lockt noch mehr Interessenten an, da sind sich die Expertinnen und Experten sicher: Der Offene Ganztag wird weiter ausgebaut, deshalb sind auch weitere Anstrengungen notwendig.

Köln erreicht eine Versorgungsquote von 83 Prozent

So sind sich Wissenschaftler, aber auch Vertreter aus der Praxis einig, dass gerade der Fachkräftemangel dem großzügigen Ausbau des Ganztags im Wege steht. Köln zum Beispiel präsentiert sich im Vergleich zu anderen Städten als fortschrittlich: Es gibt bislang 33.100 Plätze in der Ganztagsbetreuung an den 151 Kölner Grundschulen, was einer aktuellen Versorgungsquote von 83 Prozent entspricht.

Doch auch in Köln müssten nach Angaben der Stadt bis zum Schuljahr 2029/30 noch 9000 zusätzliche Plätze geschaffen werden, damit eine vollständige Versorgung gewährleistet und jedem Grundschulkind ein Ganztagsplatz angeboten werden kann. Allein bis zum Schuljahr 2026/27, wenn der Rechtsanspruch zunächst für die Erstklässler beginnt, müssten 2400 zusätzliche Plätze geschaffen worden sein. Das sei nach Ansicht der Verwaltung nur mit Abstrichen beim Personal zu erreichen.

SPD schlägt Betreuungsgipfel vor

Die SPD im Landtag fordert daher, einen übergreifenden „Betreuungs-Gipfel jetzt!“ einzuberufen, um die „Herausforderungen des Kita- und OGS-Ausbaus gemeinsam anzugehen, um die Bildungskatastrophe in der frühkindlichen Bildung zu verhindern“. Der Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen (LEB) in NRW würde daran teilnehmen, denn er sieht dringenden Handlungsbedarf: „Selbst wenn der Platzausbau in der frühkindlichen Bildung und im Offenen Ganztag nun konsequent vorangetrieben wird, verhindert der akute Fachkräftemangel in den Sozial- und Erziehungsdiensten ein flächendeckendes Angebot für alle Familien“, heißt es in der Stellungnahme des LEB.

Schon heute könnten neu geschaffene Einrichtungen nicht oder nur teilweise eröffnen, da erforderliches Personal für den Betrieb fehle. Ebenso könnten bestehende Einrichtungen vertraglich zugesicherte Umfänge häufig wegen personeller Engpässe nicht mehr erfüllen und schränkten ihre Angebote ein. „Die Verlässlichkeit der Kindertagesbetreuung wird somit infrage gestellt – und mit ihr die Vereinbarkeit von Familie und weiteren Verpflichtungen sowie das chancengerechte Aufwachsen von Kindern in NRW.“

NRW-Familienministerin hofft auf Hilfe von außen

Um die Betreuungssituation in den Kitas zu verbessern, kündigt Familienministerin Josefine Paul (Grüne) deswegen ein Maßnahmenpaket an, und so, wie Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) den Seiteneinstieg in die Schule propagiert, hofft auch Paul auf Hilfe von außen – durch junge Erwachsene, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der Kita ableisten, durch Quereinsteiger  aus der Psychologie, der Sport-, Kunst- oder auch Medienpädagogik, aber auch durch die Aufwertung von Kinderpflegerinnen und –pflegern.

Bis die frühkindliche und die Betreuung im schulischen Primarbereich das wünschenswerte Niveau erreicht hat, müssen noch viele offene Fragen beantwortet werden, so war man sich im Landtagsausschuss einig. Auch rechtliche Fragen sind noch zu klären, darauf weisen die Professoren Münder und Ennuschat hin – etwa zum Versicherungsschutz der Kinder im Offenen Ganztag, aber auch hinsichtlich der Weisungsbefugnisse zwischen Schulen einerseits, und Jugendhilfe andererseits.


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