KommentarDer FC Schalke bezahlt mit dem Gazprom-Verzicht für einen uralten Fehler

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Clemens Tönnies und Wladimir Putin besiegeln 2006 den Gazprom-Deal

Köln – Wenige Stunden, bevor Russland die Ukraine überfallen hat, spielte der europäische Fußball in der Champions League noch, als würde es diesen Krieg nicht geben. Pausenlos flackerte elektronische Werbung mit dem russischen Staatskonzern Gazprom am Spielfeldrand und über die Bildschirme. Als wäre dieser Schriftzug nicht längst zum Symbol des Bösen geworden, mit dem der gesamte Sport und insbesondere auch der deutsche Fußball viel zu lange seine Geschäfte gemacht hat.

Wenige Stunden später war klar, was jetzt ganz und gar undenkbar geworden ist. Der deutsche Traditionsverein FC Schalke 04 zum Beispiel wird kein Spiel mehr mit dem Symbol des Bösen auf der Brust mehr absolvieren. Dass der Zweitligist seit Jahren am finanziellen Ruin balanciert und ohne die mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr von Putins Lieblingskonzern vielleicht schon insolvent wäre, durfte angesichts der Tragweite der Aggression keine Rolle mehr spielen. Noch am frühen Nachmittag hat sich der Klub ins Unvermeidliche gefügt und den Verzicht auf Gazprom bekanntgegeben. Das finanzielle Risiko muss zur Not der gesamte deutsche Profi-Fußball gemeinsam tragen, auch wenn dann alle für einen strategischen Fehler haften, den Schalke unter seinem russlandfreundlichen Ex-Boss und Fleischgroßhändler Clemens Tönnies vor Langem mit Ansage begangen hat.

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Ebenso undenkbar ist, dass der europäische Fußball-Verband das wertvollste Spiel des Klub-Sports in Putins Heimatstadt St. Petersburg am 28. Mai 2022 stattfinden lässt. Deshalb wird die Uefa den Russen dieses Ereignis voraussichtlich am Freitag entziehen. Die Entscheidung ist nicht so schwer, denn der finanzielle Schaden hält sich in Grenzen und das Europa der freien Länder ist voller schöner Stadien.

Ebenso vorhersehbar ist das Los der russischen Fußball-Nationalmannschaft, die am 24. März in Moskau Polen zum ersten Spiel der letzten WM-Qualifikationsrunde empfangen soll. Dass dies geschehen wird, ist nicht nur undenkbar, sondern ganz außerhalb alles Vorstellbaren. Polen, das nach Putins imaginärer neuer Weltordnung direkte Grenzland am Rand seines Machtbereiches, würde niemals eine Fußball-Nationalmannschaft zu diesem Spiel entsenden.

Auch die noch viel mehr als der Fußball moralresistente Formel 1 wird eine Entscheidung treffen müssen, die längst gefallen ist. Der Große Preis von Russland in Sotschi würde, falls am 25. September wie geplant ausgetragen, ihren ohnehin schon fragwürdigen Zirkus in ein zynisches Spektakel verwandeln, das sie wirtschaftlich nicht überleben könnte.

Ähnlich ergeht es all den Turnieren in den olympischen Sportarten, die Athleten in großer Zahl nach Russland führen sollten. Und dann stellt sich die Frage nach der Bewertung von Großklubs wie FC Chelsea (Roman Abramowitsch) und AS Monaco (Dmitiri Ribolowlew), die vom Geld und der Großmannssucht russischer Oligarchen leben.

Richtig ist, dass seit langer Zeit viele große Sportereignisse wie die Winterspiele in China und die WM 2022 in Katar an moralisch unzumutbaren Orten stattgefunden haben und stattfinden werden. Man wird hart darüber diskutieren müssen, wie diesem Missbrauch des Sports künftig besser begegnet werden kann. Über Russland allerdings erübrigt sich jede Diskussion. Wladimir Putin hat es mit seinem Angriffskrieg aus der Welt des Sports verbannt.