Seelsorgerin bei Olympia„Wir schauen nicht auf die Leistungen der Athleten“

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Elisabeth Keilmann ist Sport- und Olympiaseelsorgerin und begleitet als Seelsorgerin die Olympischen Spiele 2024 in Paris

Elisabeth Keilmann ist Sport- und Olympiaseelsorgerin und begleitet die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Elisabeth Keilmann wird bei den Spielen in Paris ein Ohr für die Sorgen, Nöte und Freuden der Athletinnen und Athleten des deutschen Teams haben.

Frau Keilmann, Sie werden bei den Olympischen Spielen in Paris Athletinnen und Athleten als Sport-Seelsorgerin begleiten. Worin besteht Ihre Arbeit?

Elisabeth Keilmann: Ich bin – gemeinsam mit meinem evangelischen Kollegen Thomas Weber – Ansprechpartner für das deutsche Team, aber auch darüber hinaus für Betreuer, Trainer, Familien, Freunde. Wir haben Zeit für vertrauensvolle Gespräche. Die Sportseelsorge wird somit von sehr vielen positiv wahrgenommen und ist ein unverkennbares, sichtbares Zeichen für das Bemühen, ganz nah bei den Menschen zu sein. „Seelsorger – das ist ein passender Begriff. Es ist so gut, dass auch Trainer für die Seele dabei sind“, sagte einmal eine Sportlerin zu mir. Wir möchten Gottesdienste und Meditationen als „Auszeiten“ im Religiösen Zentrum des Athletendorfes anbieten, aber auch im Deutschen Haus. In Krisenfällen stehen wir als „Notfallseelsorger“ zur Verfügung.

Wie kommt es, dass Sie ausgerechnet Sport-Seelsorgerin geworden sind? Haben Sie eine bestimmte Faszination für Wettkampf?

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Viele Jahre war ich Pastoralreferentin im Bistum Essen und auch für den Bereich „Kirche und Sport“ zuständig. So war ich als Geistliche Beirätin des DJK-Diözesanverbands Essen tätig und habe im Arbeitskreis „Kirche und Sport“ der katholischen Kirche in Deutschland das Bistum Essen vertreten. Mit Leidenschaft habe ich schon immer über die Medien sportliche Großereignisse wie Europa- und Weltmeisterschaften, Olympische Spiele und Paralympics verfolgt. Ich habe großes Interesse am Sport und seinen Themen. Seit 2018 bin ich Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz und Geistliche Beirätin des DJK-Sportverbands.

Sport ist keine Religion oder Ersatzreligion
Elisabeth Keilmann

Wie unterstützen Sie die Menschen, wenn diese zu Ihnen mit Fragen, Ängsten, Hoffnungen kommen?

Es ist ein wertvolles Gut und gerade bei sportlichen Großevents etwas Nicht-Selbstverständliches, mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin auch über ganz normale Dinge sprechen zu können, ohne Bedenken haben zu müssen, dass das Erzählte später nach außen getragen wird. Das wissen viele zu schätzen. Wir bringen viel Zeit mit und haben für die Menschen in den unterschiedlichen Lebenssituationen immer ein offenes Ohr. Mir ist es wichtig, für die Menschen da zu sein, um Mut zuzusprechen, um zu trösten, um Freude zu teilen.

Geht es da manchmal auch um heikle Themen wie Doping, Eifersucht oder Missgunst?

Sportlerinnen und Sportler kommen mit dem, was sie auf dem Herzen haben: mit ihren Sorgen, dem Suchen des persönlichen Lebenswegs oder Fragen um die familiäre Situation. Es geht um eine Seelsorge als Sorge um den ganzen Menschen, weniger um Leistungsdruck oder Missgunst. Gleichzeitig schauen wir nicht auf die Leistung der Athletinnen und Athleten, sondern nehmen sie als Person in den Blick.  Wir sind als Ansprechpartner für Lebens- und Glaubensfragen da. Und über die Großveranstaltungen hinaus ergeben sich durch die persönlichen Erfahrungen vielfältige Beziehungen.

Können nur katholische Menschen zu Ihnen kommen?

Nein, das Angebot der Seelsorge richtet sich an alle Menschen, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit. Es ist gute Tradition, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger der katholischen und evangelischen Kirchen in ökumenischer Verbundenheit die deutschen Mannschaften bei den sportlichen Großevents seelsorgerisch begleiten. Schnell ergeben sich gute Gespräche, auch mit Menschen, die nicht der Kirche angehören. Alle sind willkommen. Viele begrüßen es, dass sie mit Seelsorgern offen sprechen können. Sie schätzen das Interesse an ihrer Person, an ihrem Sport.

Bei „Kirche“ und „Sport“ denke ich als Erstes an Religion und Ersatzreligion – wie verbinden sich bei Ihnen die beiden Themen?

Für mich bleibt Religion der Glaube an Gott. Es geht um die Inspiration aus der Kraft und dem Geist unseres Glaubens. Sport ist keine Religion oder Ersatzreligion. Aber im Glauben wie im Sport geht es um eine gemeinsame Wertebasis, nämlich um die Anerkennung der menschlichen Würde. Kirche und Sport können gemeinsam Großartiges bewirken, wenn es um die Umsetzung von Werten geht, die für uns alle wichtig sind: Fairness, gegenseitige Wertschätzung, Teamgeist und Solidarität.

Welche Begegnung mit Athleten ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Besonders bewegt hat mich die Begegnung mit einem jungen Sportler bei den World University Games 2019, dessen Mutter drei Wochen vor dem Wettkampf gestorben war. Er gehörte keiner Kirche an und wollte mit meinem evangelischen Kollegen und mir sprechen, um aus christlicher Sicht zu hören, wie unser Umgang mit solchen Situationen ist. Es war ein intensives und tiefgehendes Gespräch.

Was erwarten Sie von Paris?

Ich wünsche mir spannende, aber natürlich vor allem faire Wettkämpfe, friedliche Spiele und ein gutes Miteinander aller Beteiligten.