Herbergsvater mit VisionenLudgar Hanisch war 27 Jahren Leiter der Jugendherberge Lindlar

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Die Familie steht vor dem Eingang eines Hauses und schaut in die Kamera.

Familie Hanisch vor der Jugendherberge Lindlar.

1995 übernahm der die Führung, jetzt verabschiedet sich der 67-Jährige, in dessen Familien das Herbergsleben Tradition hat.

Ausgerechnet die Zahnbürste hatte der junge Gast in der Jugendherberge Lindlar vergessen. Er fragte Herbergsvater Ludger Hanisch. „Ich gab ihm eine und verlor keinen weiteren Gedanken mehr an das Gespräch“, erinnert sich Hanisch. Am Ende gab der Junge ihm eine neue Zahnbürste zurück, die er extra von seinem Taschengeld gekauft hatte. „Momente wie diese haben den Alltag als Herbergsleiter so lebenswert gemacht“, sagt Hanisch, der nach 27 Jahren als Leiter der Jugendherberge in den Ruhestand geht.

Seit 1995 war Ludger Hanisch Leiter der Jugendherberge Lindlar. Nun geht der 67-Jährige mit gemischten Gefühlen in den Ruhestand: „Ich blicke auf viele nette Gäste zurück und auf eine Arbeit, die mir viel Freude bereitet hat. Gleichzeitig freue ich mich natürlich auf die neugewonnene Zeit“.

Herzlicher Abschied mit vielen Umarmungen

Um diese sinnvoll zu nutzen, sei er noch auf der Suche nach einem passenden Ehrenamt. Doch vorher war es noch an der Zeit, Abschied zu nehmen von Kolleginnen und Kollegen, Wegbegleitern und Partnern des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH).

Wie viele Freundschaften, Kooperationen und Netzwerke er seit Beginn seiner Arbeit als Herbergsleiter im Jahr 1995 knüpfte, zeigte sich bei seinem Ausstand in der Jugendherberge. Zwischen Umarmungen, Geschenkübergaben und Gesprächen über gute alte Zeiten fanden einige seiner Wegbegleiter lustige, aber auch emotionale Worte für Hanisch.

Ein Ort für Umwelt und Nachhaltigkeit

So Ludwig Lühl, der Vorsitzende des DJH Rheinland. Er lobte insbesondere die fortschrittlichen Projekte des Herbergsvaters in den Bereichen Umwelt, Nachhaltigkeit und moderne Medien. Während seiner Amtszeit entwickelte sich die Einrichtung zur qualifizierten Umwelt-Jugendherberge, was vor allem den Zukunftsvisionen Hanischs zu verdanken sei. So rief der studierte Theologe beispielsweise Klassenfahrten unter dem Motto „Natur Pur“ oder Programme wie „Future Girls“,„move@media“ und „die „Forscherwerkstatt“ ins Leben, die bis heute Bestand haben.

Zur Person

  • 1995 übernahm Ludger Hanisch die Leitung der Jugendherberge in Lindlar. Das Haus aus dem Jahr 1968 war damals gerade frisch saniert worden.
  • Hanisch stammt aus der Eifel und ist in Köln aufgewachsen. Er hat katholische Theologie in Bonn und dem schweizerischen Fribourg studiert.
  • Zunächst leitete er eine Unterkunft für Wohnungslose in Mönchengladbach, bevor er Herbergsvater wurde.
  • Jugendherbergen sind bei den Hanischs Familiensache. Schon der Großvater war Herbergsvater in Mayen.

Die Forscherwerkstatt wurde 2014 in einem deutschlandweiten Wettbewerb des DJH-Hauptverbandes mit einem dritten Platz ausgezeichnet. Hanisch habe es geschafft, die Jugendherberge Lindlar mit seinem Bemühen um seine Gäste, einfallsreichen Projekten und einem „guten Blick für die Wirtschaftlichkeit“ als attraktives Ausflugsziel zu gestalten, so Lühl.

Auch seiner Frau, Maria Hanisch, die die Herberge bis 2002 gemeinsam mit ihrem Mann leitete, gebühre großer Dank.

2015 fanden Geflüchtete in der Herberge Platz

Bürgermeister Dr. Georg Ludwig lobte nicht nur Hanischs großen Beitrag zum kulturellen und touristischen Leben Lindlars, sondern stellte in seiner Rede insbesondere den vermittelnden Charakter des ehemaligen Herbergsvaters und das „tolle Miteinander“ zwischen der Herberge und der Gemeinde in den Vordergrund.

So habe unter anderem die Unterbringung von Chören und Musikern, wie beispielsweise dem Jungen Orchester NRW, zur Attraktivität der Gemeinde beigetragen. Man habe sich zudem zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Hanisch verlassen können – insbesondere in herausfordernden Zeiten. So etwa, als an einem sonnigen Oktobertag 2015 rund 100 geflüchtete Menschen mit Linienbussen und Plastiktüten in der Hand in Lindlar ankamen und umgehend einen sicheren Zufluchtsort benötigten, den sie in der Jugendherberge im Bergischen fanden. „Diese Glanzleistung werde ich Ihnen niemals vergessen“, sagt der Bürgermeister sichtlich berührt. Hanisch habe in seinem Job als Jugendherbergsleiter mehr getan, als eine Funktion erfüllt, „er hat es gelebt“.

Bianca Bokelmann, Vertreterin der DJH-Herbergseltern, erinnere sich besonders gern an die zahlreichen Tagungen mit dem Mann, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen konnte und der ein Erkennungsmerkmal der amüsanten Art hatte: Birken-stockschlappen mit dicken Wollsocken darunter. Hanisch wünsche seiner Nachfolgerin, Melanie te Marfelde, alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft.