Aufwachsen am KölnbergNiko und Ouassim zeigen ihr Zuhause

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Ouassim (l.) und Niko zeigen ihre Nachbarschaft.

Ouassim (l.) und Niko zeigen ihre Nachbarschaft.

Köln – Niko mag „die Presse“ nicht. Er weiß gar nicht, in wie vielen Fernseh-, Radio- und Zeitungsbeiträgen er auftaucht. „Mich kennt jeder“, sagt auch sein Freund Ouassim. Die Journalisten kommen, bleiben ein paar Stunden, sie filmen und machen Fotos, stellen ihre Fragen und am Ende findet sich irgendwo im Internet wieder ein neuer Beitrag darüber, an was für einem grauenvollen Ort der Zwölfjährige Niko und der 14-jährige Ouassim leben.

Wer über die Siedlung „Am Kölnberg“, am Rand von Meschenich, redet, redet immer auch über Kriminalität und Drogen, illustriert sind Berichte mit wehenden Plastiktüten in den Bäumen und dicken Ratten, die über zertretenen Rasen flitzen. Es stimmt, dass die Siedlung an vielen Ecken verwahrlost ist. Es stimmt aber auch, dass selten jemand mit dem Bus 132 hier rausfährt und die plakativen Klischees überprüft.

Neue Spiel- und Fußballplätze im Viertel

Niemand schreibt darüber, sagt Niko, dass es „voll schön“ aussieht, wenn im Sommer die Sonne untergeht und die Wohnblöcke das Licht reflektieren. Wie viel sich schon zum Guten verändert hat für Kinder und Jugendliche: der neue Spielplatz und die Fußballplätze. Wie gemütlich es ist, im Jugendzentrum zusammen marokkanischen Minztee mit ganz viel Zucker zu trinken. Und wie es sich anfühlt, auf der Straße ständig Freunde und Bekannte zu treffen, weil hier alle viel draußen sind, viel unterwegs eben.

Selbst an diesem eiskalten Dezembernachmittag, an dem Niko und Ouassim einmal ihren Kölnberg zeigen. Niko wohnt in Haus 2, im ersten von 30 Stockwerken. Seine Familie hat den Balkon mit weiß gestrichenen Brettern verkleidet, damit er nicht so grau aussieht. Sein erster Lieblingsort ist der alte Tennisplatz ein paar hundert Meter weiter. Eine Idee aus der Zeit, als die Siedlung noch ein Wohnort im Grünen für Besserverdiener sein sollte. Heute spielen die Jungen dort Fußball oder skaten. Im Winter ist niemand da, ein paar Meter weiter steht eine einsame Holzschaukel. Sie soll bald weg, stattdessen ist ein Trimm-dich-Pfad mit Fitnessgeräten geplant.

Ausgebrannte Autos sind nicht unnormal

Die beiden Jungen schaukeln ein bisschen lustlos für den Fotografen, viel interessanter ist der dichte Rauch, der aus einem Schacht aus der Tiefgarage kommt. Von jeder Menge Bränden können Niko und Ouassim auf dem Weg zu den Fußballplätzen erzählen. An dieser Straßenecke sei mal ein Transporter ausgebrannt, an einer anderen ein Auto. „Man muss auch das Schlechte über Meschenich wissen, um zu verstehen, was hier los ist“, gibt Niko widerwillig zu. Er und Ouassim kennen die Ecken, in denen offen Drogen konsumiert werden und benutztes Spritzbesteck herumliegt. „Als die Leiche geflogen ist, war ich noch in der Grundschule“, sagt Niko, als spräche er von einer kollektiven Erinnerung. Vor sieben Jahren landete ein schon stark verwester toter Mann von einem Balkon im neunten Stock direkt vor dem Fenster der Kindertagesstätte.

So können Sie helfen

wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird

Mit unserer Aktion „wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird“ bitten wir um Spenden für Projekte, die Kinder und Jugendliche wieder in eine Gemeinschaft aufnehmen, in der ihre Sorgen ernst genommen werden.  

Bislang sind 1.328.993,90 Euro (Stand: 27.09.2022) eingegangen. Die Spendenkonten lauten: „wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“ Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55 Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25

Mehr Informationen und Möglichkeiten zum Spenden unter www.wirhelfen-koeln.de.

„Aber die Fußballplätze müsst ihr fotografieren. Die sind richtig nice.“ Im Sommer säßen hier alle zusammen, aus jeder Ecke dröhnt andere Musik und klingt eine andere Sprache. Kinder, die an Orten mit vielen verschiedenen Kulturen aufwachsen, sind immer auch Übersetzer. 4000 Menschen aus über 60 Nationen leben in Meschenich. Niko spricht auch Türkisch, seine Eltern haben in Bulgarien gelebt, wo es eine große türkische Minderheit gibt.

In der Umwelt-AG überlegen sie, wie Meschenich schöner wird

Freunde aus dem Dorf seiner Eltern leben seit kurzem illegal in einer Wohnung am Kölnberg, zu fünft auf 20 Quadratmetern. Sozialarbeiter Nino Thiess, der beim Rundgang dabei ist, hat eine Spende für die Familie organisiert, die keine Möbel und keinen Anspruch auf staatliche Hilfe hat. „Die Menschen helfen sich hier gegenseitig“, sagt Thiess und Niko ergänzt besorgt: „Die haben nur ein Handy und kein WLAN. Kinder brauchen doch ein Handy.“

Der nächste Halt ist der neue futuristisch anmutende Spielplatz, der auf Initiative der Meschenicher Grundschule entstand. Eine vierte Klasse hatte medienwirksam auf die mangelnden und vermüllten Spielflächen aufmerksam gemacht. Auch Niko ist mit Ouassim Teil eines Umweltprojekts im Jugendzentrum Meschenich, das die Zustände verbessern will.

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In der AG sprechen sie über das Müllproblem im Viertel und überlegen, was sie dagegen tun können. Sie haben bereits die Container besprüht, damit die Menschen ihren Müll lieber dorthin bringen, als ihn aus dem Fenster zu werfen. In ihrem Podcast „Umwelt, was geht?“ sprechen sie über ihre Ideen oder interviewen Erwachsene dazu. „Wir wollen Meschenich wieder schöner machen“ steht in der Beschreibung des Podcasts.