Bayer-HauptversammlungAktionäre kritisieren Leverkusener Konzern scharf

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Bayerkreuz Stoppschild

Bayer-Kreuz in Leverkusen

Leverkusen – Der Bayer-Vorstand um Konzernchef Werner Baumann hat bei seiner virtuell durchgeführten Hauptversammlung starken Gegenwind erhalten. Die Fondsgesellschaft Deka sagte, es seien „Werte in einem solchen Ausmaß vernichtet worden, dass einem der Atem stockt“.

„Bayer ist mitten in einer Transformation, vergleichbar mit einer langsamen Zugfahrt durch einen langen Tunnel, an dessen Ende das Licht noch nicht sichtbar ist“, beschrieb Ingo Speich von Deka Investment die Lage beim Leverkusener Konzern. Deka-Investment, die Fondsgesellschaft der Sparkassen, hält mehr als zehn Millionen Bayer-Aktien, das sind rund ein Prozent aller Anteile am Unternehmen.

„Bayer massiv geschwächt“

Bei den beiden großen Sparten Pharma und Agrarchemie gebe es viele Unsicherheiten, so Speich. Der Vorstand habe die Aktionäre im letzten Jahr mehrfach enttäuscht: Erstens sei es über den Sommer 2020 nicht zur angekündigten Teillösung der Rechtsstreitigkeiten rund um das Pflanzengift Glyphosat gekommen. „Zweitens hat die Gewinnwarnung im dritten Quartal die gegenwärtigen Erwartungen, aber auch die für 2021 zunichtegemacht“, so der Deka-Experte. „Drittens haben die Sonderbelastungen für die Agrarsparte von 20 Milliarden Euro Bayer massiv geschwächt.“

Auch könne das Management dem Kapitalmarkt nicht überzeugend erklären, wie Bayer auslaufende Patente im Pharmageschäft und daraus folgende Umsatzausfälle ausgleichen möchte. Tatsächlich rechnet der Dax-Konzern im Jahr 2024 mit einem Umsatzrückgang in der Pharmasparte im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich.

Vor allem das Patent-Aus für den Gerinnungshemmer Xarelto schlägt dann in die Bilanz – das Mittel war 2020 für mehr als ein Viertel des gesamten Pharma-Umsatzes verantwortlich. Bayer sieht zwar Potenzial bei Forschungsprojekten, die sich bereits in der klinischen Erprobung befinden, doch ob Erfolg eintritt, ist völlig unklar. „Das Management wirkt ratlos“, sagte Speich. Der Vorstand befinde sich mitten in einer Vertrauenskrise.

Erwartungen nicht erfüllt

Dass Vertrauen verloren gegangen sei, bestätigte Bayer-Chef Werner Baumann bei seiner Rede: „Wir haben Ihre und wir haben unsere Erwartungen im vergangenen Jahr nicht erfüllt“, sagte er zu Aktionärinnen und Aktionären. Als Beispiel nannte er das Agrargeschäft, auf das der Konzern im vergangenen Jahr 9,1 Milliarden Euro abschreiben musste und das schwer unter der Corona-Krise gelitten hat – unter anderem, weil der geringe Bedarf an Biokraftstoffen zu niedrigeren Preisen für Rohstoffe führte.

Mit Blick auf den Aktienkurs sprach Deka-Mann Speich von einem „weiteren verlorenen Jahr“: „Der Kursverfall der Bayer-Aktie seit der Ankündigung der Monsanto-Übernahme ist beispiellos.“ Bayer laufe Gefahr, zum Spielball der Märkte zu werden. „Das einst so stolze Unternehmen Bayer ist nur noch ein Schatten seiner selbst“, sagte Speich.

Der Aktionär Wolfgang Griesbach forderte, Vorstand und Aufsichtsrat sollten ihre Strategie darlegen, wie der Wert des Unternehmens wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs gebracht werden soll und ob das mit einer unveränderten Fortführung der Agrarchemiesparte möglich sei: „Die Kursentwicklung lässt jedenfalls Zweifel der Investoren an der Tragfähigkeit des bisherigen Geschäftsmodells erkennen.“

Marktumfeld deutlich verbessert

Das Marktumfeld im Agrargeschäft habe sich zu Jahresbeginn unterdessen deutlich verbessert, sagte Baumann: „Der erhebliche Nachfrageanstieg bei Agrarprodukten hat zu steigenden Preisen geführt. Wir hoffen natürlich, dass diese Dynamik weiter anhält“.

Im Pharmageschäft, das 2020 darunter litt, dass viele planbare Behandlungen verschoben wurden, machte Baumann Hoffnung: „In diesem Jahr arbeiten wir intensiv daran, mehrere große Pharmaprodukte auf den Markt zu bringen beziehungsweise in weiteren Märkten einzuführen.“ Alle hätten Blockbuster-Potenzial mit möglichen Spitzenumsätzen von jeweils mehr als einer Milliarde Euro, sagte der Manager.

„Die Belastungen des vergangenen Jahres sollten nicht den Blick auf die Perspektiven von Bayer verstellen“, so Baumann. Die Konzern-Divisionen seien in den nächsten Jahren klar auf Wachstum und eine Steigerung ihrer Ertragskraft ausgerichtet, „auch wenn 2021 noch ein Jahr das Übergangs sein wird.“ Wie lange der tatsächliche Übergang dauern wird, ist hingegen unklar. Beim Kapitalmarkttag Mitte März zeigten die Zahlen, die Bayer vorlegte: Die Leverkusener werden wohl Jahre brauchen, um das Vor-Krisen-Niveau wieder zu erreichen.

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Die Aktionäre stimmten trotz aller Kritik mit 90 Prozent Zustimmung für die Entlastung des Vorstands für das vergangene Geschäftsjahr. Bei der Dividende machen Bayers Anteilseigner in diesem Jahr Abstriche: Die Hauptversammlung stimmte dem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat zu, zwei Euro pro Aktie auszuzahlen – 80 Cent weniger als im vergangenen Jahr. „Damit bleiben wir bei unserer Dividendenpolitik, zwischen 30 und 40 Prozent des bereinigten Ergebnisses je Aktie auszuschütten“, sagte Baumann.