Ergo-Vorstand im Interview über Altersvorsorge„Menschen unterschätzen ihre Lebenserwartung um gut sieben Jahre“

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Michael Fauser ist Vorstandsvorsitzender der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG

Michael Fauser ist Vorstandsvorsitzender der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG

Der Chef der Ergo Lebensversicherung, Michael Fauser, spricht über die Fehler der Riesterrente, den Weg zu finanzieller Sicherheit im Alter – und wie er selbst vorsorgt.

Herr Fauser, uns ist der Eindruck entstanden, die Lebensversicherung ist bei den Menschen unter 40 in Vergessenheit geraten. Hat die Nullzinsphase die klassische Lebensversicherung aus der Mode kommen lassen?

Michael Fauser: Unser Lebensversicherungsgeschäft entwickelt sich äußerst positiv. Die Lebensversicherung ist das einzige Produkt am deutschen Vorsorgemarkt, das eine lebenslange Rente garantiert. Das schafft finanzielle Sicherheit im Alter. Dies ist umso wichtiger, da unserer Erfahrung nach die Menschen die eigene Lebenserwartung unterschätzen, und zwar um gut sieben Jahre. Daher ist die Lebensversicherung ein unverändert beliebter und auch notwendiger Weg, um für das Alter vorzusorgen, denn die gesetzliche Rente allein reicht nicht für einen finanziell sorgenfreien Lebensabend.

In welcher Höhe schließen die Menschen solche Versicherungen ab?

Das ist ganz unterschiedlich und reicht von ganz kleinen bis sehr hohen Beiträgen bei Menschen, die erst spät damit anfangen. Generell gilt: Besser mit kleinen Beiträgen anfangen, als gar nicht.

Ich habe eine Risikolebensversicherung, mehrere Berufsunfähigkeitsversicherungen und für den Vorstand einer Lebensversicherung wenig überraschend mehrere Lebensversicherungen.
Michael Fauser, Ergo Lebensversicherung

Das klingt rosig, aber in Wahrheit sind die garantierten Zinsen rasant gesunken. Wie hoch sind sie heute, lohnt sich die Anlage noch?

Einst lag der Garantiezins bei vier Prozent. Der Gesetzgeber hat ihn in den vergangenen Jahren schrittweise auf 0,25 Prozent abgesenkt. Das kann sich natürlich auch wieder ändern. Darauf sollten Kunden aber nicht warten. Denn die Garantien sind heute nicht mehr das entscheidende Kriterium bei der Wahl der passenden Vorsorge. Die Kunden denken heute deutlich stärker chancenorientiert. Konkret heißt das, sie investieren stärker in Fonds. Die Chancen am Kapitalmarkt, indirekt also in Aktien, schlagen oft alle Garantien.

Sie sprechen von Fonds. Könnte man aus Kundensicht da nicht besser selbst in Aktienfonds investieren und sich so die vergleichsweise hohen Gebühren sparen?

Der entscheidende Vorteil versicherungsförmiger Vorsorgeprodukte bleibt die lebenslange Rente. Die Menschen wollen Sicherheit, insbesondere nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben. Mit einer Basisrente oder der betrieblichen Altersversorgung können die Menschen zudem steuerbegünstigt für das Alter sparen. Seit Januar dieses Jahres sind die Beiträge für die Basisrente zum Beispiel vollständig steuerlich absetzbar. Die Einkommen aus der Lebensversicherung müssen dann im Alter zwar teilweise versteuert werden, die Steuersätze sind dann aber niedriger. Außerdem wirkt noch der Zinseszinseffekt über die Jahre, Lebensversicherung laufen oft 30 Jahre und länger, da macht sich das bezahlt.

Wie wirken sich die steigenden Zinsen auf ihr Geschäft mit Lebensversicherungen aus?

Wir, und vor allem unsere Kunden, profitieren gerade stark von den steigenden Zinsen. Wir spüren einen großen Kapitalzufluss und können die Beiträge unserer Kunden zu höheren Zinsen investieren.

Die Riesterrente ist in die Kritik geraten. Vertreiben Sie noch Riesterverträge? Ist Riester gescheitert?

Wir vertreiben aktuell keine Riester-Produkte. Riester ist grundsätzlich ein gutes Produkt, das aber dringend reformiert werden muss. Denn Riester ist in seiner aktuellen Form zu kompliziert. Nehmen Sie als Beispiel den Wohnriester. Aktuell müssen Sie Wohnriester mit anbieten, wenn Sie Riester-Produkte vertreiben – auch wenn Ihre Kunden das gar nicht nachfragen. Das ist so, als würde man einen Autohersteller zwingen, in jedem Fahrzeug ein Schiebedach einzubauen, egal ob ein Kunde das möchte oder nicht. Auch die 100-Prozent-Beitragsgarantie bei Riester passt nicht mehr in die Zeit. Dadurch können die Riester-Produkte nur in festverzinsliche Anleihen investieren, sind aber gleichzeitig von den Chancen am Kapitalmarkt ausgenommen. Wir brauchen mehr Flexibilität in den Verträgen, was Riester in seiner jetzigen Form nicht bietet. Dennoch sollten Riesterkunden ihre Verträge weiter besparen, und keinesfalls kündigen, die eingezahlten Beträge sind schließlich garantiert.

Gibt es überhaupt noch klassische Lebensversicherungen?

Die gibt es kaum noch. Wir selber bieten nur noch flexible und kapitalmarktorientierte Altersvorsorgeprodukte an. Dabei können die Kunden während der Vertragslaufzeit flexibel entscheiden, wie viel ihrer Beiträge in das Sicherungsvermögen der Versicherung oder in Fonds fließen. Da hat der Kunde alle Freiheiten. Und wir sehen auch, dass in den vergangenen Jahren mehr Kunden von den Umschichtungsmöglichkeiten Gebrauch machen.

Schüler lernen heute zwar, was im 30-jährigen Krieg passiert ist, aber sie wissen nicht, wie sie für ihr eigenes Alter vorsorgen müssen.
Michael Fauser

Das heißt aber auch, der Kunde muss sich selbst schlaumachen…

Da sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Es ist natürlich von Vorteil, wenn Kunden ein Grundverständnis für finanzielle Themen haben, gerade wenn es sie selbst betrifft. Gleichzeitig steht das Thema Finanzen im Schulunterricht aber zu wenig im Fokus. Schüler lernen heute zwar, was im 30-jährigen Krieg passiert ist, aber sie wissen nicht, wie sie für ihr eigenes Alter vorsorgen müssen. Es ist daher aus meiner Sicht wichtig, der finanziellen Bildung mehr Raum im Lehrplan zu geben.

Machen Ihnen die aus dem Boden schießenden guten Angebote für Tagesgelder Konkurrenz?

Das Interesse daran wächst, es offenbart aber auch dort das fehlende Wissen über Finanzprodukte. Sehen Sie: Die Deutschen hatten große Angst vor den Negativzinsen und haben alles getan, diese zu vermeiden. Der Negativzins lag bei 0,5 Prozent und die Inflation bei 1,5 Prozent. Unterm Strich haben die Menschen also 2,0 Prozent verloren. Aktuell springen alle auf Tagesgelder. Dort bekommen sie sagen wir 2,5 Prozent, die Inflation liegt bei 8,0 Prozent. Unterm Strich verlieren sie also 5,5 Prozent pro Jahr oder drei Mal so viel wie zu Zeiten der Negativzinsen. Doch das ist kaum präsent.

Die Rentenlücke ist ein geflügeltes Wort, wie ausgeprägt ist das Problem wirklich?

Ein Großteil der Deutschen hat durch die gesetzliche Rente keine ausreichende Altersvorsorge. Wer nicht zusätzlich vorsorgt, wird zwangsläufig in die Altersarmut laufen. Versicherungen können außerdem existenzielle Risiken wie Berufsunfähigkeit oder die Absicherung der Familie absichern.

Wie haben Sie selbst vorgesorgt?

Ich habe eine Risikolebensversicherung, mehrere Berufsunfähigkeitsversicherungen und für den Vorstand einer Lebensversicherung wenig überraschend mehrere Lebensversicherungen.