Kölner Führungstandem erzählt„Wenn das Geltungsbewusstsein zu stark ist, funktioniert es nicht“

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Die DEG-Mitarbeiterinnen (v.l.n.r.) Natalie de Wit und Rena Terfrüchte schauen in die Kamera, beide lächeln freundlich.

Die DEG-Mitarbeiterinnen Natalie de Wit (l.) und Rena Terfrüchte berichten von ihren Erfahrungen.

Früher galt Führung als „unteilbar“, heute erkennen auch Unternehmen den Mehrwert von Führungstandems. Ein ehemaliges Tandem berichtet. 

Eigentlich sei die Bildung eines Führungstandems einer Dating-Situation gar nicht so unähnlich, sagt Rena Terfrüchte: Man müsse sich Gedanken darüber machen, welche Erwartungen die beteiligten Personen mitbringen, welche Sorgen und Wünsche. „Man muss sich einfach ein bisschen vortasten.“

In einem Führungstandem teilen sich zwei Teilzeitkräfte gleichberechtigt eine Führungsposition. Noch vor einigen Jahren wäre ein solches Modell bei Unternehmen wohl denkbar unbeliebt gewesen. Führung galt lange als „unteilbar“, Überstunden in Chefpositionen als unvermeidbar. Doch die Arbeitskultur hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Immer mehr Unternehmen setzen auf das Modell, das Mitarbeitenden mehr Flexibilität gewährt – und auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Vorteile mit sich bringen kann.

Abteilungsleitung bei Kölner DEG

Rena Terfrüchte und Natalie de Wit formten von September 2017 bis Juli 2022 ein solches Tandem. Bei der Entwicklungsbank DEG in Köln leiteten sie gemeinsam eine Abteilung mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Abteilung finanziert Banken und Finanzinstitute in Asien und östlich der EU – die wiederum in kleine und mittlere Unternehmen vor Ort investieren.

Die Idee, ein Tandem zu bilden, wurde von einer Betriebsrätin an die beiden Frauen herangetragen. „Ich habe damals die Abteilung allein geleitet und wurde dann schwanger mit Kind Nummer zwei“, erzählt Terfrüchte. Zu diesem Zeitpunkt habe sie sich nicht vorstellen können, mit zwei kleinen Kindern auf ihrer Position zu bleiben. „Ich hatte mich von dem Job sozusagen schon verabschiedet.“ Auch de Wit hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei kleine Kinder. „Für mich war das Tandem ideal, weil ich mir in dieser Situation nicht vorstellen konnte, in Vollzeit zu führen. Gleichzeitig war es eine sehr gute Möglichkeit, in das Thema Führung einzusteigen.“

Vorbilder bei der Muttergesellschaft KFW

De Wit und Terfrüchte reichten also eine gemeinsame Bewerbung ein – und bekamen den Job. Zuerst ging Terfrüchte in Mutterschutz und Elternzeit, anschließend de Wit, die selbst ein weiteres Kind bekam. Dennoch standen sie immer miteinander im Austausch, trafen wichtige Entscheidungen in Absprache. Ab Sommer 2019, schließlich, bildeten sie ein traditionelles Tandem: Sie arbeiteten gemeinsam insgesamt 140 Prozent – de Wit 80 Prozent und Terfrüchte 60. 20 Prozent gelten dabei als Raum für Überschneidungen, die anderen 20 Prozent hätten Sinn ergeben, weil die Abteilung ein großes Wachstum aufwies. Es war das erste Tandem dieser Art bei der DEG. Vorbilder gab es zuvor lediglich bei der Muttergesellschaft KFW.

Terfrüchte sagt, offene Kommunikation und Klarheit seien der Schlüssel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. „Und ich denke, vom Typus her müssen es schon zwei Personen sein, die gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wir haben immer sehr stark Erfolge zusammen gefeiert, aber eben auch beide die Verantwortung für Misserfolge übernommen.“ Das ginge nicht mit allen Persönlichkeitstypen. „Wenn das Geltungsbewusstsein zu stark ist, funktioniert es nicht.“

„Es war sehr gut, dass wir beide gleich stark gegenüber dem Team aufgetreten sind“, sagt de Wit. „Mal hat die eine das Team-Meeting geleitet, mal die andere. Das war ganz natürlich, das mussten wir auch nicht groß abstimmen.“

Aufgaben entsprechend der Stärken verteilen

Es habe Vorteile, sich Aufgaben entsprechend der eigenen Stärken und Präferenzen aufteilen zu können. „Natalie ist ein außerordentlich positiver Mensch und offen für Neues. Das hilft bei strategischen Überlegungen. Das ist bei dir ganz klar stärker ausgeprägt als bei mir. Wenn Strategiethemen reinkamen, hat daher Natalie die Führung übernommen.“ „Und du bist wiederum ein sehr strukturierter Typ“, ergänzt de Wit. „Du hast dich um die Themen gekümmert, bei denen man ein bisschen tiefer bohren muss, die man an verschiedenen Stellen im Haus koordinieren muss. Auch das Monitoring-Thema ist etwas, wo du etwas mehr Lust drauf hast als ich.“

Beide sind der Ansicht, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von der Arbeit eines Tandems profitieren: Weil neben dem Tagesgeschäft Raum für die Weiterentwicklung der Abteilung bleibt. Weil immer eine Person mit Entscheidungsmacht anwesend ist und weil viele Themen, die sonst mit der nächsthöheren Führungsebene besprochen werden müssten, im bilateralen Austausch schon vorher geklärt werden können.

Ein Tandem eignet sich für Menschen, die sich relativ zu Beginn der Familiengründung befinden, aber auch in anderen Lebensphasen
Natalie de Wit

Auch bei der DEG sieht man das Modell positiv – und möchte es ausbauen. Der neue Gleichstellungsplan, der die Jahre 2023 bis 2027 umfasst, sieht neben neuen Quoten für die Besetzung von Führungspositionen und mehr Teilzeitführung auch die Bildung von insgesamt mindestens drei Führungstandems vor. Dabei sollen bewusst nicht nur Frauen angesprochen werden.

„Ein Tandem eignet sich für Menschen, die sich relativ zu Beginn der Familiengründung befinden, aber auch in anderen Lebensphasen“, sagt Natalie de Wit. „Etwa für die, die im etwas fortgeschrittenen Alter sagen: Ich möchte meine Arbeitszeit reduzieren, aber meine Kompetenzen trotzdem weiter einbringen und in Führungsaufgaben tätig sein.“

Zum Abschluss ein Häuserlauf

Die gemeinsame Tandem-Zeit von de Wit und Terfrüchte ist derweil erst einmal vorbei. Natalie de Wit hat im Sommer eine neue Abteilungsleitung übernommen, im Bereich Strategie, der ihr gut liegt, und in Vollzeit. „Wir haben uns zu dem Thema offen ausgetauscht“, sagt sie. „Es war kein Tabu-Thema für uns, dass entweder Rena oder ich auch einmal etwas anderes machen könnten.“

Terfrüchte hat mittlerweile eine neue Tandempartnerin. Sie schätzt das Konzept, würde, wenn sie wählen könnte, auch künftig immer wieder darauf setzen – wegen des Austauschs, wegen der Reflexion.

Für Rena Terfrüchte und Natalie de Wit stehen nun bloß noch zwei private Herausforderungen an. Sie haben sie sich gegenseitig zum Abschied geschenkt: einen Ninja-Parcour und ein sogenanntes House Running, bei dem man gemeinsam senkrecht eine Hausfassade hinunterläuft.

„Wir haben weiterhin Lust auf Herausforderungen“, sagt de Wit.

„Ich bin froh, dass wir das zu zweit machen“, sagt Terfrüchte.

„Ich würde das ohne dich auch nicht machen“, sagt de Wit.