Grundsteuerreform in NRWFür wen es nun wohl teurer oder günstiger wird

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Einfamilienhäuser stehen in einer Siedlung in Köln-Widdersdorf

Einfamilienhäuser stehen in einer Siedlung in Köln-Widdersdorf

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk hat den Kommunen mitgeteilt, wie viel Grundsteuer sie Hausbesitzern in Rechnung stellen müssen, um ab 2025 keine Steuerausfälle zu haben.

Die komplizierte Reform der Grundsteuer in NRW befindet sich in der Umsetzung. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist die Grundsteuer, wer zahlt sie?

Die Grundsteuer wird auf Grund und Boden sowie darauf stehende Immobilien erhoben. Sie ist die wichtigste direkte Einnahmequelle aller deutschen Kommunen. Die Erlöse kommen nur den Städten und Gemeinden zugute und werden nicht mit Bund oder Land geteilt. Die Grundsteuer A steht für „agrarisch“ und gilt für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke. Die Grundsteuer B steht für „baulich“ und wird angewendet bei bebauten und unbebauten gewerblichen oder privaten Grundstücken. Die Grundsteuer triff sowohl Eigentümer als auch Mieter, an die sie im Rahmen der Nebenkostenabrechnung weitergegeben wird.

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Warum muss die Grundsteuer reformiert werden?

Das Bundesverfassungsgericht hat das bisherige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße.

Welches Grundsteuermodell gilt für NRW?

Sieben Bundesländer haben eigene Grundsteuermodelle gewählt, NRW gehört zu den neun Ländern, die sich für das Bundesmodell, auch Scholzmodell genannt, entschieden haben. Im Bundesmodell wird der Einheitswert durch den Grundsteuerwert ersetzt. Wie bisher werden also Grund und Boden und Gebäude im Verbund und wertabhängig für die Steuerberechnung herangezogen. Die Steuermesszahl wird deutlich abgesenkt, um die nun höhere Bemessungsgrundlage auszugleichen.

Wie wird die Grundsteuer berechnet?

Die Grundsteuer berechnet sich in drei Schritten: Wert des Grundbesitzes mal Steuermesszahl mal Hebesatz. Zur Berechnung des Grundsteuerwertes sind der Bodenrichtwert und die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete, der so genannten Mietniveaustufe, von Belang. Die Bodenrichtwerte sind in den Bodenrichtwertinformationssystemen der Länder einsehbar, in NRW ist das das System „Boris NRW“. Die Einordnung der Gemeinden in Mietniveaustufen hat das Bundesfinanzministerium auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes über die Durchschnittsmieten in allen 16 Ländern vorgenommen.

Was hat es mit der Steuermesszahl auf sich?

Um den Wertsteigerungen, die im Vergleich der aktuellen mit den seit dem Jahr 1935 beziehungsweise 1964 nicht mehr aktualisierten Werten entstanden sind, zu begegnen, wird die sogenannte Steuermesszahl – ein Faktor, der für die Berechnung der Grundsteuer wichtig ist – kräftig etwa auf ein Zehntel des bisherigen Werts gesenkt, das heißt von 0,35 Prozent auf 0,031 Prozent für Wohngrundstücke beziehungsweise 0,034 Prozent für Nichtwohngrundstücke.

Was müssen nun die Gemeinden tun?

Sollte sich in einzelnen Gemeinden das Grundsteueraufkommen wegen der Neubewertung verändern, besteht für sie die Möglichkeit, ihre Hebesätze anzupassen und so dafür zu sorgen, dass sich insgesamt ihre Steuereinnahmen nicht erheblich verändern. „Die Gemeinden haben angekündigt, dass sie dies auch tun werden“, heißt es vom Bundesfinanzministerium.

Was hat das Land NRW verkündet?

Die schwarz-grüne Landesregierung treibt ihre Pläne für eine landeseigene Regelung der neuen Grundsteuer voran. Die Finanzverwaltung NRW veröffentlichte am Donnerstag für jede der 396 Kommunen im Land Referenzwerte für die Hebesätze, die am Ende die Höhe der Grundsteuer bestimmen. Als Berechnungsgrundlage für die Kommunen lieferte die Finanzverwaltung auch differenzierte Hebesätze für Wohn- und Geschäftsimmobilien mit. Mit der vom Land angestrebten Differenzierung soll eine übermäßige Belastung von Eigentümern von Wohnimmobilien vermieden werden.

Nach Berechnungen des Landes würden die nun vorgeschlagenen Hebesätze für die jeweilige Kommune aufkommensneutral gegenüber den bisherigen Grundsteuereinnahmen sein. „Damit schaffen wir größtmögliche Transparenz für unsere Kommunen sowie für Bürgerinnen und Bürger“, erklärte NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU).

Sind die Hebesätze verbindlich?

Die nun veröffentlichten Hebesätze sind nicht verbindlich, denn die Grundsteuer ist eine kommunale Steuer. Städte und Gemeinden entscheiden selbst über die Höhe und eine mögliche Differenzierung. Die angestrebte Aufkommensneutralität der neu berechneten Grundsteuer für die Kommunen bedeutet zudem nicht, dass die Höhe der Steuer auch für die jeweiligen Grundstücksbesitzer gleich bleibt. Für Menschen oder Unternehmen könnte die künftige Grundsteuer auch steigen oder sinken.

Werden Private oder Gewerbliche besser gestellt?

In vielen großen Städten von NRW zeichnet sich eine Schieflage ab: Während Gewerbetreibende künftig Steuern sparen, müssten Wohnungs- und Hauseigentümer sowie deren Mieter draufzahlen, weil ihre Grundstücke künftig deutlich wertvoller bewertet werden als in der Vergangenheit. Die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen wollen daher vor Inkrafttreten der neuen Grundsteuer noch ein Landesgesetz mit einer sogenannten Öffnungsklausel verabschieden. Diese stellt den Kommunen frei, für Wohn- und Gewerbegrundstücke unterschiedliche Hebesätze anzuwenden, um das Wohnen nicht zu verteuern.

Welche Empfehlung spricht das Finanzministerium den Kommunen aus?

Das unterscheidet sich für jede der 396 Städte und Gemeinden in NRW. Doch ein paar Beispiele lassen sich darstellen: In Köln liegt der Hebesatz der Grundsteuer A bei 165 Prozent, bei der Grundsteuer B bei 515 Prozent. Das Ministerium empfiehlt nun Hebesätze von 282 (Grundsteuer A) und 461 Prozent (Grundsteuer B). Entscheidet sich Köln für die nach Wohn- und Nichtwohngrundstücken differenzierte Grundsteuer B, werden für erstere 352, für letztere 707 Prozent empfohlen.

Was bedeutet das für Kölner Grundbesitzer?

Ein Vergleich des alten Modells mit dem neuen bei einer fiktiven Immobilie ist nicht möglich, da bislang das Finanzamt für jedes Grundstück einen individuellen Wert festgelegt hat. In vielen Fällen dürfte die Grundsteuer steigen, in einigen aber auch sinken. 

Ihre künftige Höhe je nach Hebesatz lässt sich jedoch berechnen: Für ein beispielhaftes Einfamilienhaus in Köln-Longerich, Baujahr 1985, mit einer Grundstücksfläche von 380 und einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern fallen nach der Reform ab 2025 mit dem aktuellen Kölner Hebesatz von 515 Prozent nach Berechnungen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ 729,75 Euro Grundsteuer jährlich an. Senkt Köln nun nach Empfehlung des Landes den Hebesatz auf 461 Prozent, sinkt der Betrag auf 653,24. Wird der differenzierte Grundsteuer-B-Hebesatz angewendet, dürfte der Grundsteuerbescheid sogar nur noch 498,78 Euro ausweisen.

Die Stadt Köln lehne die Einführung eines differenzierten Hebesatzes allerdings ab, hatte Kämmerin Dörte Diemert dem Stadtrat bereits im April dieses Jahres mitgeteilt. Sie machte damals unter anderem verfassungsrechtliche Risiken geltend. Ob die Stadt im Weiteren den vom Land empfohlenen Zahlen folgen will, könne noch nicht gesagt werden, sagte eine Sprecherin am Donnerstag.

Wie sind die Empfehlungen für das Umland?

Das Beispiel Leverkusen zeigt, dass es auch in die andere Richtung gehen kann. Dort gelten aktuell Hebesätze von 375 beziehungsweise 750 Prozent. Das Land nennt nun aufkommensneutrale Hebesatz-Empfehlungen von 750 und 959 Prozent – eine erhebliche Steigerung. Stünde das oben aufgeführte Beispielhaus jetzt im direkt am Rhein gelegenen Leverkusener Stadtteil Hitdorf, wo ein niedrigerer Bodenrichtwert gilt, zahlt der Besitzer oder die Besitzerin ab 2025 nach aktuellem Hebesatz von 750 Prozent genau 949,50 Euro. Steigt der Grundsteuer-B-Satz künftig tatsächlich auf 959 Prozent, wird es erheblich teurer: Dann fallen 1214,09 Euro an. Die differenzierte Grundsteuer B wiederum ergäbe gar eine sanfte Vergünstigung auf 940,64 Prozent, denn der vorgeschlagene Hebesatz beträgt dann nur 743 Prozent. Für Nichtwohngrundstücke stiege der Hebesatz hingegen von derzeit 750 auf satte 1721 Prozent.

Ein exemplarischer Blick in die Region zeigt ein differenziertes Bild: In Bergisch Gladbach könnte der Grundsteuer-B-Hebesatz von 731 auf 684 Prozent abgesenkt, in Siegburg von 790 von 780 beinahe stabil gehalten und in Euskirchen von 496 auf 597 angehoben werden.

Was sagt die Opposition?

FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel verlangt die Rücknahme des Gesetzentwurfs und stattdessen eine wirksame Grundsteuerbremse.„Schon in wenigen Monaten drohen Mietern und Eigentümern bei der Grundsteuer erhebliche Mehrbelastungen, die CDU und Grüne weiterhin gar nicht landesweit abmindern wollen. Die größten Verwerfungen müssen wir jetzt dringend mit einem Smart Repair beheben. Der Landtag sollte schnell einen allgemeinen Ermäßigungsfaktor für Wohnungen beschließen“, sagte Witzel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Wie reagiert die Wirtschaft?

Aus Sicht der Unternehmen lehnt IHK NRW das Vorhaben ab. „Statt mit einer weiteren Veränderung der Grundsteuer die Unsicherheiten bei Unternehmen, Haushalten und in den Kommunen zu erhöhen und neue Bürokratie aufzubauen, sollte angesichts der anstehenden Aufgaben und Investitionsanforderungen in eine umfassende Kommunalfinanzreform eingestiegen werden.“

Auch der Arbeitgeberverband steht den Plänen kritisch gegenüber: „Insgesamt lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf auf Grund der geschilderten sowohl systematischen als auch ordnungspolitisch Bedenken klar ab“, heißt es von Unternehmer NRW. Die Bürgermeister des Rhein-Sieg-Kreises haben einen offenen Brief an den Präsidenten des NRW-Landtags André Kuper geschrieben, in dem sie die geplante Gesetzesänderung zur Grundsteuer B ablehnen.