Schock bei Ford in KölnWieder sollen tausende Jobs gestrichen werden

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Nach langer Verzögerung: Bei Ford in Niehl startet endlich die Produktion des ersten E-Modells Explorer. Der Autohersteller eröffnet sein „Ford Cologne Electric Vehicle Center“.

Bei Ford in Köln-Niehl startete am 4. Juni endlich die Produktion des ersten E-Modells Explorer.

Betroffen sind Produktion, Verwaltung und erneut die Produktentwicklung. Die Belegschaft in Köln-Niehl und Merkenich ist zutiefst verunsichert.

Ford in Köln steht erneut vor einem massiven Stellenabbau. Es ist das dritte harte Restrukturierungsprogramm in nur fünf Jahren, das die US-Konzernmutter seiner europäischen Tochter verordnet.

Am Dienstagmorgen wurde die Belegschaft bei einer Betriebsversammlung über die Pläne des Konzerns informiert. Bis zu 7000 Teilnehmer waren im Vorfeld erwartet worden. Gerade erst am 4. Juni startete in Köln die Serienproduktion des ersten europäischen E-Autos, des Explorer, in Köln - mit Verspätung.

Betriebsrat spricht von Kampfansage

Betriebsratschef Benjamin Gruschka, der nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene der oberste Arbeitnehmervertreter ist, informierte die Belegschaft über die anstehenden Einschnitte und kritisierte die Pläne des Managements aufs Schärfste. „Das ist eine Kampfansage an die deutsche Belegschaft“, sagte Gruschka unter Applaus.

Die Pläne sehen im Einzelnen vor, dass zum einen die Führungsstrukturen deutlich verschlankt und Bürokratie weiter abgebaut werden soll, damit Entscheidungen künftig schneller getroffen werden.

Zum Zweiten sollen Jobs in Verwaltung, Marketing, Vertrieb und Services deutlich reduziert werden. Arbeiten, die nicht zu den Kernkompetenzen, also Autos entwickeln und bauen gehören, sollen eingestellt werden.

Der dritte Punkt auf der Liste des Managements, ist die Produktentwicklung für Fahrzeuge in Europa aber auch weltweit mit Sitz im Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich. Hier hatte Ford bereits im zweiten Spar-Programm seit dem vergangenen Jahr deutlich zusammengestrichen. Von ursprünglich etwa 3600 Beschäftigten dort sollen etwa 1700 das Unternehmen binnen drei Jahren seit 2023 verlassen. Aus Ford-Kreisen heißt es, die Zahl wurde bislang noch nicht vollständig erreicht. Hier solle sich künftig stärker an den Geschäfts-Prioritäten des Konzerns orientiert werden. Was das ganz konkret bedeutet, ist bislang unklar.

Ford will Konzentration auf das Kerngeschäft

Aber auch die Produktion ist erneut unter Punkt vier der Liste betroffen. Dort war im ersten Restrukturierungsprogramm 2019 bereits massiv gekürzt worden. Beim Autobau sollen „industrielle Abläufe“ künftig noch effizienter gemacht werden und sich „die Strukturen an den strategischen Prioritäten von Ford ausrichten“. Dazu gehöre „die Überprüfung der Stückzahlen, der Effizienz und des Personaleinsatzes in allen Produktionsbereichen, sowie bei fertigungsnahen Dienstleistungen und Komponenten“.

Punkt fünf: Ford Europa will sich nach eigener Aussage nur noch auf das Kerngeschäft konzentrieren. Es sollen Bereiche ausgelagert werden, die nach Auffassung von Ford Europa nicht dazugehören.

Wie viele Jobs tatsächlich wegfallen, dazu gibt es derzeit noch keine Angaben seitens der Ford-Führung. Die genauen Zahlen sollen Ende Juni folgen. Klar ist aber jetzt schon, dass einige tausend dem Rotstift zum Opfer fallen werden.

Die Nachrichten verunsichern die Belegschaft weiter. Gerade erst hatte man sich in Köln-Niehl über den Start des Explorers gefreut. Nur zwei Tage später, am 6. Juni verkündete Ford-Deutschland-Chef Martin Sander, der auch in Europa für die Elektrifizierung zuständig war, seinen völlig überraschenden Abgang. Schon zum 1. Juli wird er in Wolfsburg bei VW als Vorstand für Marketing, Vertrieb und Verkauf anfangen. Das trifft Ford schwer, mitten in der ohnehin schwierigen Transformation.

Entsprechend war die Stimmung auf der Betriebsversammlung, berichten Teilnehmer. Mitglieder der Geschäftsführung waren nicht anwesend, es habe sich niemand bereiterklärt, heißt es aus dem Unternehmen. Auch ein öffentliches Statement werde es nicht geben.

Die Sparpläne, die ausgerechnet einen Tag nach dem Explorer-Start intern bekannt gegeben wurden, betreffen dabei nicht nur Deutschland, mit seinem Werk und Sitz von Ford Deutschland und Europa in Köln, sondern ganz Europa.

Auch Valencia erneut betroffen

Am Standort im spanischen Valencia werden 1600 Jobs gestrichen. 600 davon entfallen ganz. Für 1000 Stellen könnte es gegebenenfalls eine Übergangslösung bzw. Rückkehr-Option geben, bis 2027 die geplante Produktion eines neuen Hybridmodells anlaufen soll. In dem Werk im Osten Spaniens arbeiten aktuell noch 4700 bis 4800 Menschen.

Von einem weiteren E-Auto, das im Gegensatz zu den zwei Kölner Modellen nicht auf der Plattform von VW, sondern einer Ford-eigenen gebaut werden soll, ist dort mittlerweile nichts mehr zu hören. Dabei hatten sich die Werke Valencia und das deutsche Saarlouis ein hartes internes Bietergefecht liefern müssen, um den Zuschlag für das E-Modell zu bekommen. Saarlouis unterlag und wird Ende November 2025 geschlossen. 

„Gestern noch den neuen Explorer feiern, heute schon wieder feuern“, sagte Betriebsratschef Gruschka zu den jüngsten Plänen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Belegschaft erneut derart verunsichert werde. Ford fordere in Europa erneut eine harte Restrukturierung, so Gruschka. „Anstatt sich auf den wichtigsten Job, nämlich das erste und bald auch zweite E-Auto aus Köln zu konzentrieren, und alle Kräfte endlich darauf zu fokussieren, wird die Belegschaft erneut demotiviert. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz und nicht nachvollziehbar!“

Es ist damit nun die dritte harte Sparrunde. Bereits 2019 gab es massiven Jobabbau in ganz Europa, mehrere Werke, wie etwa im französischen Bordeaux wurden geschlossen. Insgesamt 6000 Stellen wurden gestrichen. In Deutschland mussten dabei 5400 Fordler gehen, davon rund 4000 in Köln.

Das nächste Sparpaket wurde dann 2023 verkündet. Insgesamt baut Ford dabei rund 5000 Arbeitsplätze ab, die meisten davon in Deutschland (2300), Großbritannien (1300) und Spanien, wo in Valencia 1100 Stellen gestrichen wurden.

2300 Stellen sollen bis Ende 2025 in Köln entfallen: 1700 von damals 3900 im Entwicklungszentrum und 600 von 3400 in der Verwaltung. Dieser Abbau ist dem Vernehmen nach inzwischen zu mehr als zur Hälfte über Abfindungen etc. erfolgt. Er läuft noch, da folgt bereits der nächste harte Schnitt. Derzeit hat Ford in Köln noch knapp 14.000 Mitarbeitende.

Der Betriebsratschef zeigte sich nun vor der Belegschaft kämpferisch.  „Wir werden kämpfen, und wir können kämpfen.“