Wachsender WohnungsmangelKöln ist bei Neubauten Schlusslicht

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Preisgedämpfte Mietwohnungen werden im Stadtteil Ehrenfeld gebaut.

Preisgedämpfte Mietwohnungen werden im Stadtteil Ehrenfeld gebaut.

Der Bedarf an Wohnungen ist stärker gestiegen als bislang befürchtet. Am niedrigsten ist die Bautätigkeit laut IW-Studie in Köln und Stuttgart.

Deutschland leidet, wie andere Staaten auch, seit der Zinswende im Jahr 2022 unter einem massiven Einbruch der Wohnungsbautätigkeit. Die Genehmigungszahlen für Neubauten, die Auftragseingänge im Bau und die Finanzierungsvolumina sind seither um jeweils rund ein Drittel eingebrochen.

Deutschland trifft dieser Einbruch in einer besonders ungünstigen Phase, die durch einen großen Wohnungsmangel in vielen Regionen gekennzeichnet ist. „Seit Beginn der 2010er Jahre erlebt Deutschland einen insbesondere, aber nicht ausschließlich auf die Ballungsräume konzentrierten kräftigen Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum, der im Niedrigzinsumfeld und durch nicht mithaltende Bautätigkeit zu teilweise kräftigem Ansteigen der Kaufpreise und Mieten bei Wohnimmobilien geführt hat“, sagt Volkswirt Ralph Henger vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Die Lage spitze sich seit 2022 nun zu: zum einen, weil durch den russischen Angriffskrieg eine sehr hohe Zahl von Flüchtlingen in den deutschen Wohnungsmarkt integriert werden müsse, zum anderen, weil das höhere Niveau für Bauzinsen mit einem Anstieg von rund drei Prozentpunkten zu einer deutlichen Erhöhung der Finanzierungskosten und damit einer erschwerten Wohneigentumsbildung geführt hat.

Kaum noch Nachfrage nach Eigentum

Die Folge sind eine geringe Nachfrage nach selbstgenutztem Wohnraum, die vorrangig das Ein- und Zweifamilienhaussegment betrifft und eine erhöhte Nachfrage nach Mietwohnungen. Entsprechend steigen nun die Wohnungsmieten deutlich stärker als in der Niedrigzinsphase der 2010er Jahre.

Der Bedarf an neuen Häusern und Wohnungen in Deutschland ist in der Folge höher als ursprünglich berechnet. Im Zeitraum 2021 bis 2025 wären jährlich 372.000 neue Wohnungen nötig und nicht 308.000 wie zunächst geschätzt, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelt hat. In den Jahren 2026 bis 2030 liege der jährliche Bedarf bei 302.000 neuen Wohnungen. Im Verhältnis zum jährlichen Bedarf liegt die aktuelle Bautätigkeit (2021-2023) laut den IW-Statistikern in Deutschland nur bei 79 Prozent, so Studienautor Henger.

Besonders hoch sei die Unterdeckung in den größten sieben Städten des Landes. Dort liegt die Quote aus aktueller und benötigter Bautätigkeit bei 59 Prozent. Am niedrigsten ist die Bautätigkeit laut IW in Köln.

Köln schafft nur ein Drittel der nötigen Wohnungen

Im Zeitraum von 2020 bis 2023 seien in Köln nur 37 Prozent der dort benötigten Wohnungen neu errichtet worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Bautätigkeit in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich deutlich geringer ausfallen werde, sodass der Wohnungsmangel flächendeckend zunehmen werde.

Aber warum ist ausgerechnet Köln das bundesweite Schlusslicht? Das Hauptproblem liegt in der Kölner Politik. „Sie verlässt sich beim Wohnungsbau seit Jahren viel zu sehr auf das Kölner Umland“, sagte Volkswirt Ralph Henger im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Neu ist das Problem nicht. „Wir machen die Politik seit langem darauf aufmerksam. Das spezifische Kölner Defizit ist seit acht Jahren markant“, sagt Henger, der beim IW als Senior-Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik verantwortlich ist.

Experte fordert mehr Bauland

Das IW fordert kurzfristige Impulse und strukturelle Reformen, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Experte Ralph Henger nennt etwa vereinfachte Bauvorschriften oder die Ausweisung von mehr Bauland in den Kommunen. Bundesländer sollten über Entlastungen bei der Grunderwerbsteuer nachdenken.

Insgesamt hat sich die Wohnungsbaulage in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. Die Situation sei geprägt von einer rückläufigen Bautätigkeit bei zuletzt nochmal deutlich gestiegenen regionalen Wohnungsbedarfen. „Um weitere Verwerfungen im Markt zu verhindern, braucht es sowohl kurzfristige Impulse als auch strukturelle Reformen, um den Wohnungsbau zu stärken“, sagt Volkswirt Henger.

Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit dem mit Abstand größten prognostizierten Wohnungsbedarf in den kommenden Jahren. Für den Zeitraum 2021 bis 2025 werden in NRW 69.100 neue Wohnungen benötigt. Für den Zeitraum 2026 bis 2030 sind laut IW weitere 54.000 Wohnungen erforderlich. Auch in den Fünf-Jahres-Perioden 2031 - 2035 und 2036 bis 2040 besteht laut der Studie noch die Erfordernis von jeweils 30.000 bis 40.000 neuer Wohneinheiten.

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