ErbschaftsmediationDas hilft, wenn der Streit ums Erbe eskaliert

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Wie teilt man das Erbe gerecht auf, wenn es nur ein Auto, ein Haus und eine Perlenkette im Nachlass gibt? Solche Fragen können Erben bei einer Mediation klären.

Wie teilt man das Erbe gerecht auf, wenn es nur ein Auto, ein Haus und eine Perlenkette im Nachlass gibt? Solche Fragen können Erben bei einer Mediation klären.

„Streit ums Erbe würde es bei uns nicht geben. Wir Geschwister haben uns das gegenseitig versprochen: Wir bleiben fair.“ Solche Schwüre kennt wohl jeder aus seinem Bekanntenkreis. Aber versterben dann beispielsweise die Eltern, wird oft doch gestritten.

Und wenn die Fronten zwischen Erben verhärtet sind, droht sogar der kostspielige Gang vor Gericht, wobei oft eine Partei den Saal als Verlierer verlässt. Eine Alternative ist die Erbschaftsmediation. Hier erarbeiten die Streithähne eine gemeinsame Lösung – und ein Mediator leitet das streng vertrauliche Gespräch.

Rechtsanwältin Victoria Riedel ist ausgebildete Mediatorin mit Kanzlei in Düsseldorf. Sie erklärt, wieso eine Mediation für zerstrittene Erben sinnvoll sein kann.

Frau Riedel, woran liegt es, dass trotz eines Bewusstseins für die Problematik immer wieder Konflikte zwischen Erben entstehen?

Victoria Riedel: Das hat verschiedene Gründe. Es herrschen oft falsche Vorstellungen über das Erbrecht, zum Beispiel denken manche Menschen: „Mein Partner erbt automatisch alles.“ Andere meinen, alle Kinder im Testament gleich behandeln zu müssen – was aber schwierig ist, weil es unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Und natürlich sind Sterbefälle immer Ausnahmesituationen. Da kommt unglaublich viel hoch bei den Angehörigen. Und manchmal sind noch alte Rechnungen offen.

Lassen sich Streitereien überhaupt vermeiden?

Mit dem Thema Tod möchten sich nur wenige auseinandersetzen. Ich empfehle trotzdem allen, schon vorher offen mit den Angehörigen zu diskutieren, was Sache ist, und sich über die Gesetzeslage zu informieren. Zum Beispiel könnten Eltern ihre Kinder fragen: „Welche Erinnerungsstücke sind euch wichtig, was möchtet ihr nach unserem Tod haben?“

Wichtig ist auch: wie teilt man das Erbe unter mehreren auf, wenn es nur ein Auto, ein Haus und eine Perlenkette im Nachlass gibt? Gemeinschaftliches Eigentum sollte man möglichst vermeiden, denn Erbengemeinschaften sind sich leicht uneins.

Was macht man, wenn nicht alle Erben an der Mediation teilnehmen wollen? Funktioniert es dann überhaupt?

Jede größer die Gruppe ist, desto schwieriger ist das Zustandekommen einer Mediation. Trotzdem sollte das Ziel sein, alle an einen Tisch zu bekommen. Kommen zum Beispiel nur zwei von drei Erben, können wir auch nur Teilbereiche der Erbschaft regeln.

Im Rahmen einer Mediation kann man auch andere Dinge beschließen als im Testament „angeordnet“. Wie funktioniert das?

Das geht über eine Einigung der Erben. Wenn zum Beispiel zwei Kinder jeweils ein Grundstück erben, können sie in der Mediation einen Tausch vereinbaren. Oder sie verkaufen die Grundstücke und teilen sich den Erlös. Gemeinschaftlich ist es also möglich, sich über die Bestimmungen des Testaments hinwegzusetzen. Nichts ändern kann man allerdings an der im Erbschein ausgewiesenen Erbquote, also dem Anteil am Erbe, der den jeweiligen Personen zusteht.

Wie kann man überhaupt schlichten, wenn die Beteiligten nicht einmal miteinander reden?

Es muss natürlich eine gewissen Motivation der Erben vorhanden sein: Die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, und der Wille, etwas zu ändern. Nach meiner Erfahrung geht es meistens doch vor Gericht, wenn einer querschießt und alle möglichen Lösungen ablehnt. Lassen sich dagegen alle Erben auf die Mediation ein, finden wir in der Regel auch eine Lösung. Damit es gar nicht erst zum Streit kommt, empfehle ich, schon vor dem Tod zusammen mit den potentiellen Erben einen Mediator aufzusuchen.

Kann ein gut formuliertes Testament den meisten Konflikten vorbeugen? Weiter geht es auf der nächsten Seite.

Ist Ihnen ein Fall besonders in Erinnerung geblieben?

Das kann ich eigentlich nicht sagen. Es gibt aber immer wieder einprägsame Situationen, zum Beispiel wenn ein Erbe wütend „Mir reicht's!“ ruft, den Raum verlässt und laut mit der Tür knallt. Dann muss man sich schon überlegen: Wie gehe ich jetzt darauf ein?

Wie lange dauert es ungefähr, bis ein Konfliktfall „gelöst“ ist?

Kommt ganz darauf an, wie umfangreich die Vorbereitung ist, wie viele Teilnehmer es gibt, und so weiter. In der Vorlaufphase muss ich auch einen passenden Ort finden und dabei auf vieles achten: Sind starke Raucher, Menschen mit Behinderungen oder ohne Führerschein dabei? Wenn die Erben wenig Zeit haben oder von weiter weg anreisen, biete ich eine Kurzzeitmediation an, die ein Wochenende dauert. Auch per Skype ist theoretisch eine Teilnahme möglich, allerdings bekommt man so nicht die Atmosphäre des Ganzen mit.

Was ist das Ziel der Mediation?

Wichtig ist mir, dass am Ende etwas schriftlich festgehalten wird. Das hat dann eine andere Wertigkeit als nur ein Handschlag. Die Erben setzen die Vereinbarung gemeinsam auf und unterschreiben sie. Ein Notar kann diese Einigung beurkunden.

Kann ein gut formuliertes Testament den meisten Konflikten vorbeugen?

Juristische Laien sind meist überfordert wenn es darum geht, ohne Hilfe ein Testament zu verfassen. Das Problem ist, dass ein selbst aufgesetztes Testament oft verschiedene Lesarten hat, und dann gibt es nach dem Todesfall Streit um die Auslegung. Auch dabei kann übrigens eine Mediation helfen – sich auf eine Linie zu einigen.

Wird der letzte Wille gemeinsam mit einem fachkundigen Berater verfasst, ist das sicherlich eine sinnvolle Investition. Denn wer später noch etwas ändern möchte, hat schon ein gutes Fundament gelegt. Und aus meiner Erfahrung werden bei älteren Testamenten oft später noch Änderungen vorgenommen, zum Beispiel wenn die Enkelkinder kommen.

Was kostet eine Mediation?

Nach meiner Erfahrung deckt die Rechtsschutzversicherung nicht alle Kosten ab. Entsprechend müssen die Erben die Mediation zum Großteil aus eigener Tasche bezahlen. Der Stundensatz für Mediatoren richtet sich nach der Art der Ausbildung – je qualifizierter der Berater, desto höher ist der Satz in der Regel.