Kölner AusländeramtBrennpunkt der Schleuserkriminalität

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Geflüchtete stehen schlange vor dem Ausländeramt in Kalk.

Köln – Völlig überraschend sei der Fall nicht, sagt Claus-Ulrich Prölß. „In Köln ist mir ein ähnlicher Fall nicht bekannt, aus anderen deutschen Ausländerbehörden schon“, der so Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats über die Teamleiterin des Ausländeramtes, die dem Vorwurf nach Pässe fälschte, um Menschen illegal zu schleusen. Am Donnerstag führen Polizei und Staatsanwaltschaft eine Razzia bei der Frau durch, auch im Ausländeramt wurde nach Hinweisen gesucht. In Behörden säßen „keine Heiligen“, sagt Prölß. Menschen, die anfällig sind für persönliche Bereicherungen, „gibt es überall“.

Dass aus dem Kölner Ausländeramt unrechtmäßig ausgestellte Ausweisdokumente in Umlauf gebracht worden sein sollen, lege nahe, dass „die Kontrollmechanismen in der Behörde offenbar nicht funktionieren“, vermutet Prölß. „Wenn Ausweise für Ausländer in einem Schrank aufbewahrt werden, sollten die zwischendurch auch mal gezählt werden. Bei der Ausstellung von Reisedokumenten muss mindestens das Vier-Augen-Prinzip gelten, solche Vorgänge setzen ein Amtsverfahren voraus“. Nach dem aktuellen Skandal in der Behörde werde die Öffentlichkeit nun aufmerksamer denn je verfolgen, was aus dem Ziel der Politik wird, das Ausländeramt zu einer „Willkommensbehörde“ zu entwickeln, so Prölß.

Falsche Ausweise aus Kölner Ausländeramt

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Ziele der Neuausrichtung sind eine stärkere Kundenorientierung und die Entbürokratisierung wichtiger Abläufe. Ein externer Dienstleister wird die Umstrukturierung des Kölner Ausländeramts begleiten. Die aktuellen Ermittlungen gehen von banden- und gewerbsmäßigem Einschleusen von Migrantinnen und Migranten aus. „Es handelt sich an dieser Stelle also offenbar um ein strukturelles Problem, das dringende Fragen nach der Arbeitsweise der Behörde aufwirft“, so Prölß. Die müsse die Stadt Köln nun beantworten.

Offiziell äußert sich die Verwaltung bislang nicht, verweist auf die laufenden Entwicklungen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Stadt ihre Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung in den Jahren 2019 und 2020 überarbeitet. In einer Auflistung von Arbeitsbereichen, in denen Korruptionsgefahr bestehen könnte, ist auch der Punkt „Ausstellen von Dokumenten (etwa Ausweispapiere)“ aufgeführt. In einer zugehörigen Richtlinie ist unter anderem ein „Vier- oder Mehraugenprinzip“ als Kontrollsystem aufgelistet. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Prinzip bei der Ausgabe von Pässen grundsätzlich greifen sollte.

Kölner Ausländeramt hat Korruptionsmaßnahmen überarbeitet

Auf Anfrage teilte die Stadt Köln auch am Freitag offiziell nicht mit, welche Sicherheitsmechanismen im Ausländeramt grundsätzlich greifen. In der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Düsseldorf wird das Vier-Augen-Prinzip angewandt, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Zudem bewache eine Dienstaufsicht die Anträge auf Aufenthaltstitel. Das Land sieht die Verantwortung für die Arbeitsabläufe unterdessen bei der Stadt. „Im Rahmen der Ermittlungen werden auch die Verantwortlichkeiten hinterfragt werden“, sagte eine Sprecherin des Integrationsministeriums dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Organisationshoheit bei der jeweiligen Kommune liegt.“ In diesem Fall also bei der Stadt Köln. Auch die Staatsanwaltschaft Köln gab sich am Freitag zugeknöpft: Es gebe im Vergleich zum Vortag keinen neuen Sachstand. „Wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen“, betonte Staatsanwältin Lisa Klefisch. Daher sei auch völlig unklar, welches Strafmaß der festgenommenen Mitarbeiterin im Ausländeramt drohe. Fakt ist, dass der Großraum Köln aufgrund seiner zentralen Lage in Europa bei Schleusungen ein Brennpunkt darstellt.

Organisationshoheit liegt bei Stadt Köln

Immer wieder stießen in den vergangenen Jahren die Ermittlungsbehörden auf Geflüchtete im Rheinland, die ihr Schicksal in die Hände von kriminellen Schleusern legen. Ihre Hoffnung auf ein besseres Leben zerschlägt sich oftmals sehr schnell vor Ort. So trifft der Zoll trifft bei Razzien zum Beispiel in vietnamesischen Nagelstudios immer wieder auf Beschäftigte, die vielfach von Schleusern nach Deutschland gebracht wurden. Sie werden in der Region in kargen Unterkünften versteckt und müssen von früh bis spät für einen Hungerlohn schuften. Nicht einmal zum Einkaufen dürfen sie ihre Unterkunft verlassen. Sie sind schließlich illegal in Deutschland und dürfen nicht auffallen.

Flüchtlingen Pässe abgenommen

Die Frauen werden mitunter sexuell missbraucht und vergewaltigt. Viele weisen sich bei den Kontrollen mit einem deutschen Pass aus, der als gestohlen gemeldet ist. Die Passfotos sehen sich dann zum Verwechseln ähnlich. „Das legt nahe, dass da eine Struktur hinter steckt, dass womöglich Pässe aufgekauft und die Frauen damit ausgestattet werden“, sagt Jens Ahland, Sprecher des Hauptzollamts Köln. Den richtigen Pass nehmen die Schleuser den Opfern auf dem Weg nach Deutschland ab.

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„Dadurch ist für sie keine Kontaktaufnahme nach draußen mehr möglich“, sagt Ahland. Um ihre Opfer gefügig zu machen, bauten die Täter häufig auch eine Drohkulisse auf, „oft auch gegenüber den Familien in der Heimat“.