Kölner DekorateurNähen ersetzt bei Richard Deckers den Psychiater

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Richard Deckers

Richard Deckers

Köln – Um meine Vorfreude auf den Frühling anzukurbeln, steuere ich heute das Café Kogi an. Nachdem ich einen Blick in den vielleicht schönsten bewirteten Garten der Innenstadt geworfen habe, kehre ich auf die Straße zurück und beobachte, wie ein Mann das gegenüberliegende Nähgeschäft verlässt.

Richard Deckers lässt sich gerne zu einem Kaffee verführen. Als der vor ihm steht, erzählt der 70-Jährige, dass er in seinem Beruf als Dekorateur „irgendwann das Verfallsdatum erreicht“ und sich deshalb auf das Nähen zu Hause verlegt habe.

Decker versucht sich als Veganer

„Kleidung?“, nehme ich an. „Nein.“ Ein früherer Arbeitskollege habe Musikinstrumente gemacht, und für die habe er Schontaschen angefertigt. „Aus Stoff oder Leder?“ – „Nicht aus Leder, ich mag Vierbeiner, wenn Sie laufen“, sagt Deckers. „Dann leben Sie auch vegan?“ – „Leider nein, aber ich bin auf dem Weg dahin.“ Er habe jedenfalls seit Jahren keinen Braten mehr gegessen. „Aber ans Gemüse muss Speck!“ – „Wirsing?“ – „Ja, aber vor allem an Rosenkohl.“

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Ich denke an ein köstliches Rosenkohl-Rezept, das ich kürzlich von einer wunderbaren Zimmergenossin im Krankenhaus bekommen habe und will es Deckers weiterleiten. Fehlanzeige. Der Mann hat weder Computer noch Smartphone. „Ich möchte nicht immer erreichbar sein!“ Er bekomme seine Post im Briefkasten und seine Anrufe auf dem Festnetz. Wie oft müssen Sie sich deswegen rechtfertigen? – „Das wird akzeptiert. Ich bin so ein sturer Sack und verteidige mich da auch nicht.“ Er lacht. 

Decker lebt ohne Computer und mit Enten

Deckers hat nicht nur keinen PC, sondern – wie sich herausstellt – auch kein Auto. Er liebe das Leben im Kölner Süden, wo es „noch nicht so dicht besiedelt“ sei und man noch Kühe auf der Weide sehen könnte. Der Kölner erzählt von seinen drei Katzen und seinem großen Garten mit Teich, auf dem im letzten Sommer neun kleine Entchen geschwommen seien, die er mit Zustimmung der Entenmama mit aufgepäppelt habe. „Und dann sitzen Sie da, schauen ins Grüne und freuen sich!“

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Als Gartenbesitzer sitze man eigentlich nie einfach nur da, stellt Deckers richtig. Im Herbst ärgere er sich über jedes Blatt, im Frühjahr freue ihn jedes neue, das sei schon richtig. Laubbläser lehnt der 70-Jährige kategorisch ab, „ich bin geräuschempfindlich, das mache ich mit dem Fegebesen.“ „Dann nähen Sie wahrscheinlich nur im Winter, wenn die Gartenarbeit ruht?“, mutmaße ich. – „Das Nähen ist so eine Art von Psychiater für mich, da komme ich runter und hinterher fühle ich mich besser. Da kann auch ruhig der Küchenschrank umfallen, das stört mich in dem Moment nicht.“ Im Übrigen gehe es beim Nähen nicht um das Endprodukt. „Die Arbeit ist das Ziel, und das Wichtigste ist, dass man eine schöne Zeit dabei hatte.“

Großes Kompliment an die Kölner

Bevor Deckers sich auf den Heimweg begibt, erzählt er mir, dass er erst seit kurzem wieder ohne Krücken laufe. Er habe sich im Dezember bei einem Sturz einen Haarriss im Becken zugezogen und sei ganz positiv überrascht von der Freundlichkeit der Menschen in Köln. „Die Medien berichten ja immer nur, wenn Feuerwehrleute behindert oder Vollzugsbeamte angegriffen werden. „Da haut es einen schon um, wenn man erlebt, wie nett die Leute sind.“