Schauspiel KölnNeue Stücke, neue Schauspieler, neues Team – nur der Ort bleibt vorerst der gleiche

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21.06.2024, Köln: Rafael Sanchez Intendant des Schauspiel Köln und Hanna Koller, Kuratorin für Tanz stellten das neue Programm vor. Foto: Arton Krasniqi

Rafael Sanchez, Intendant des Schauspiel Köln und Hanna Koller, Kuratorin für Tanz stellten das neue Programm vor.

Rafael Sanchez ist für ein Jahr Schauspiel-Chef in Köln. Jetzt stellte er einen ehrgeizigen Spielplan vor.

„GRMPF“, mit diesem Ausruf vokallosen Frustes beginnt die nächste Spielzeit am Schauspiel Köln. Die erste nach elf Jahren mit Stefan Bachmann, die hoffentlich letzte im Mülheimer Interim, die erste und letzte mit Rafael Sanchez an der Spitze des Hauses. Der langjährige Hausregisseur hat am Freitag das Programm seiner Kurzintendanz vorgestellt. In Köln übernimmt 25/26 Kay Voges, Sanchez leitet dann gemeinsam mit Pınar Karabulut das Schauspielhaus Zürich.

„GRMPF“, eine Abrechnung mit der Dauerbaustelle am Offenbachplatz in Gestalt einer bunten Revue der Dysfunktionalität, inszeniert Sanchez selbst. „Eine Eröffnungsgala zur falschen Zeit am falschen Ort“, nennt er den Abend, in dem Protokolle von Ratssitzungen zu Sketchen und Verzweiflungsschreie zu fröhlichen Gesangsnummern werden, halb im Scherz. Denn eigentlich hätte der im fertig sanierten Schauspielhaus Premiere feiern sollen.

Es war so und so ein wilder Ritt. Zur Doppelplanung – jede Produktion musste rechts- wie linksrheinisch umzusetzen sein – kam die Kürze der Vorbereitungszeit. Zwei Jahre bräuchte man, so Sanchez, um eine Spielzeit zu planen: „Wir haben es in 10 Monaten geschafft, das ging nicht ohne Selbstausbeutung.“ Zumal die Hälfte des Ensembles Bachmann nach Wien folgt. Zwölf neue Akteure – vier davon kommen direkt von der Schauspielschule nach Köln – mussten gefunden werden, viele Positionen in der Leitung neu besetzt werden: Sibylle Dudek und Jan Stephan Schmieding teilen sich den Chefdramaturgenposten, Arthur Soltan Hayrapetian wird Künstlerischer Betriebsdirektor und Stellvertretender Intendant.

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Erfolgsgaranten wie Regisseur Bastian Kraft treffen auch junge Autorinnen

Dennoch konnte Sanchez einen ehrgeizigen Spielplan mit 18 Premieren, vielen Wiederaufnahmen und Gastspielen präsentieren. Darunter publikumsfreundliche Titel wie Shakespeares „Was ihr wollt“ und Tennessee Williams' „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (unter der Regie von Bastian Kraft, dessen fantastische Adaption von „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ wiederaufgenommen wird), aber auch Werkaufträge an junge Autorinnen wie Tine Rahel Völker, die mit „We Are Family“ das europäische Urdrama des Atridengeschlechts feministisch überschreibt, oder Ivana Sokola („Balkan Drift“), die auch schon fürs Deutsche Theater Berlin geschrieben hat.

Zum ersten Mal seit langem wird es auch wieder ein großes Familienstück geben. Der Stoff, Michael Endes „Momo“ ist altbekannt, die ungarische Regisseurin Ildikó Gáspár, bekannt für bildgewaltige Umsetzungen, kennt man in Köln noch nicht. Mit Antú Romero Nunes und Yael Ronen konnte Sanchez zwei echte Regiestars   ins Depot holen, für beide ist es ebenfalls das erste Mal.

Nicht minder spannend werden wohl einige Wiederbegegnungen: Charlotte Sprenger, Matthias Köhler und Pınar Karabulut waren die ersten Regieassistentinnen und -assistenten der Bachmann-Ära, sie kehren als gefragte Kräfte zurück. Und Bassam Ghazi, der hier den Jugendclub Import-Export-Kollektiv aufgebaut hat, ließ sich aus Düsseldorf wieder nach Köln locken, um vor Ort als „Stadtdramaturg“ vorzugsweise mit solchen Menschen Kontakt aufzunehmen, die kaum je den Weg ins Theater finden.

Mit Jan Bonny versucht sich einer der besten TV-Macher zum ersten Mal am Theater

Die dritte Säule des Programms, neben neuen Gesichtern und Heimkehrern, besteht aus interessanten Kölner Kreativen, die bislang noch nicht fürs hiesige Schauspiel gearbeitet haben. Einmal mit Jan Bonny („Über Barbarossaplatz“, „King of Stonks“) zu arbeiten, einem der profiliertesten deutschen Fernsehmacher, sei ein Wunsch des Ensembles gewesen.

Die Regisseure Poutiaire Lionel Somé und Kieran Joel haben sich in der freien Szene hervorgetan, Joel wird die nächste Produktion des Import-Export-Kollektivs leiten. Somé, der mit Christoph Schlingensief in dessen Operndorf in Burkina Faso gearbeitet hat, inszeniert die deutschsprachige Erstaufführung   des französischen Stücks „Aus dem Schatten: Thiaroye“.   Es geht um ein vergessenes Kapitel der Kolonialgeschichte, den Mord an den sogenannten Senegalschützen – während der Recherche erfuhr Somé, dass es auch in seiner Familie ein Opfer des Massakers gab.

Auch die Zusammenarbeit mit der Kölner Theatergruppe Futur3 wird fortgesetzt, diesmal mit einem Rechercheprojekt zu sogenannten Fixern, lokalen Kontakten für Reporter, im Ukrainekrieg.

Ergänzt wird das Programm von Inszenierungen der verschiedenen Spielclubs und ausgewählten Gastspielen (siehe Kasten), auch eine neue Gesprächsreihe ist in Planung, zu der sich die Autorin Alice Hasters („Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“) Gäste einladen wird.

Spektakulär fallen die von Hanna Koller kuratierten Tanzgastspiele aus, mit neuen Arbeiten von Sharon Eyal und Altmeister William Forsythe, mit einer ungewöhnlichen Kollaboration zwischen Sasha Waltz und dem Theaterkollektiv Rimini Protokoll, einer großen Gala im Staatenhaus – die eigentlich die Eröffnung am Offenbachplatz feiern sollte – und am allerspektakulärsten mit Florentina Holzingers gefeierter Arbeit „Ophelia's Got Talent“, einer Choreografie die ob ihres drastischen Inhalts erst ab 18 Jahren empfohlen ist. Zwei, drei Jahre habe man daran gearbeitet, Holzinger nach Köln zu holen, so Koller.

Ein pralles Programm. Rafael Sanchez hat nur ein Jahr, er scheint entschlossen, hier seine Marke zu setzen, als guter Teamworker und Netzwerker. Stefan Bachmann werde nur noch einmal Anfang Juli kurz vorbeischauen. „Dann“, scherzt Sanchez, „fährt er hoffentlich sein Auto von meinem Parkplatz weg.“


Schauspiel-Premieren 24/25

14.9.: „GRMPF“, Regie: Rafael Sanchez

27.9.: „Balkan Drift“, Regie: Jana Vetten

28.9.: „We Are Family“,Regie: Jorinde Dröse

25.10.: „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, Regie: Bastian Kraft

3.11.: „Empulsion“, Regie: Antú Romero Nunes

8.11.: „Der König stirbt“, Regie: Paula Pohlus

30.11.: „Momo“, Regie: Ildikó Gáspár

10.1.: „Aus dem Schatten: Thiaroye“, Regie: Poutiaire Lionel Somé

24.1.: „Was Ihr wollt“, Regie: Charlotte Sprenger

7.2.: „Vatermal“, Regie: Bassam Ghazi

21.2.: „Engel in Amerika“, Regie: Matthias Köhler

Es folgen Arbeiten von Fritzi Wartenberg, Jan Bonny, Lidia Polito, Kamila Polívková, Pınar Karabulut, Yael Ronen und Kieran Joel

Schauspiel-Gastspiele 24/25

Okt. 24: „Einer flog über das Kuckucksnest“, Regie: Leander Haussmann, Rambazamba Theater

Nov. 24: „The Interrogation“, Regie: Milo Rau, NTGent

Herbst 24: „Eurotrash“, Regie Peter Carp, Theater Freiburg

Winter 2024/25: „#Motherfuckinghood“, Regie: Jorinde Dröse, Berliner Ensemble

Tanzgastspiele 24/25

10., 11.10.: „Into the Hairy“, Sharon Eyal/L-E-V

26., 27.10.: „Friends of Forsythe“, William Forsythe/Ja Collective

9., 10.11.: „Fast, Furious and Serious“, versch. Compagnien

23., 24.11.: „Spiegelneuronen“, Sasha Waltz, Rimini Protokoll

6.- 8.12.: „Elements“, Gauthier Dance Company

18., 19.1.: „Ishane“, Ballet du Grand Théâtre de Genève

11., 12.2.: „C la vie“, Faso Danse Théâtre

28.- 30.3.: „Ophelia's got Talent“, Florentina Holzinger/Volksbühne

11., 12.4.: „Tempo Vicino“, „One of four periods in time“, „mood“, „Lazarus“, Ballet National de Marseille

20.-22.5.: „Momo“, Batsheva Dance Company

14., 15.6.: „Firmamento“, La Veronal

21., 22.6.: „Silent Tides“, „Passing“, Ballet BC