Sommer vor 50 JahrenErinnern Sie sich an diese 11 Sommerhits aus dem Jahr 1974?

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ABBA beim Eurovision Song Contest 1974.

ABBA beim Eurovision Song Contest 1974. (Archivbild)

Der deutsche Sommer 1974 hatte es musikalisch in sich. Wir erinnern daran mit 11 der größten Sommerhits des Jahres.

Was war das damals für ein Wetter! Der Sommer 1974 war größtenteils kühl und regnerisch mit nur wenigen sonnigen Tagen. Die Münchner „Abendzeitung“ brachte es auf den Punkt: „Sauwetter, mistig's“, die „Bild“-Zeitung sorgte sich: „Geht der ganze Sommer kaputt?“ und auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete von „Dauerregen“ und „versumpften Spielfeldern“ während der erstmals in Deutschland ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft.

Dass Deutschland am Ende sogar den Titel holte, war so etwas wie die Urmutter aller späteren „Sommermärchen“. Trotz des kühlen und regnerischen Wetters im Juni und Juli versuchten die Deutschen, das Beste aus dem Sommer zu machen. An den wenigen sonnigen Tagen strömten sie an die Badeseen und feierten zu den folgenden 11 größten Sommerhits des Jahres 1974.

Terry Jacks – „Seasons in the Sun“

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Wussten Sie, dass sich hinter den „Jahreszeiten in der Sonne“ ein echtes Chanson verbirgt? Und zwar ein im wahrsten Sinne des Wortes todtrauriges. Das französische Original „Le moribond“ aus dem Jahr 1961 stammt von Jacques Brel und handelt von einem Sterbenden, der einen letzten Gruß an die Menschen sendet, die ihn auf seinem Lebensweg begleitet haben. Terry Jacks, der zuvor wenig Erfolg hatte, gelang mit der englischen Adaption, die textlich etwas weniger dramatisch ist, ein großer Wurf und der Sommerhit des Jahres 1974, praktisch weltweit auf Platz 1, so auch in Deutschland.


ABBA – „Waterloo“

Zwischen April und Juli 1974 brauchten die Musikfans starke Nerven, denn entweder stand Terry Jacks mit seinen „Seasons in the Sun“ auf Platz eins oder ABBA, die mit ihrem Siegersong beim Eurovision Song Contest 1974 ihre Weltkarriere starteten. Die beiden Lieder lieferten sich wochenlang einen Schlagabtausch an der Spitze. Wem das alles zu englisch war, konnte sich freuen, denn es gab auch eine deutsche Version mit hochgeistigen Textzeilen wie „Waterloo, keiner nahm mich so im Sturm wie du, Waterloo, ich kam davon wie Napoleon“.  Das beruhigte zumindest diejenigen, die sich an den schrillen Glam-Outfits von Agnetha, Benny, Björn und Anni-Frid störten.


Vicky Leandros – „Theo, wir fahr’n nach Lodz“

Bis heute wissen viele nicht, wo das von der Deutsch-Griechin Vicky Leandros besungene Łódź eigentlich liegt. In Polen! Warum ausgerechnet die damals wenig attraktive Industriestadt als Quasi-Fluchtpunkt vor „Mist und Dung“ und einem „Gott verlass′nen Dorf, nur Heu und Torf“ herhalten musste, bleibt ein Rätsel der Schlagergeschichte. Dennoch war niemand vor diesem Nummer-eins-Hit sicher, und obwohl Leandros das Lied mit seinem hohen Anfangston, das je nach Quelle auf einem jiddischen oder einem kroatischen Landsknechtlied basiert, nicht mochte, muss sie es bis heute singen.


MFSB feat. The Three Degrees – „TSOP (The Sound Of Philadelphia)“

Die Plattenfirma Philadelphia Records lieferte damals den Soundtrack zum Philly Soul, einer besonders melodiösen, mit aufwendigen Streicherarrangements versehenen Spielart des Soul, die letztlich auch die Disco-Bewegung vorwegnahm. Mit Titeln wie diesem prägten die Songwriter und Produzenten Kenneth Gamble und Leon Huff einen eleganten Sound, zu dem die wunderbaren Three Degrees nicht viel mehr singen durften als „People all over the world, let's get it on, it's time to get down“. Doch ihre große Stunde sollte noch kommen.


Paul McCartney & Wings – „Band on the Run“

Paul McCartney, der damals erst sein drittes Album mit seiner Band Wings auf den Markt gebracht hatte, schuf mit „Band on the Run“ nicht nur ein Pop-Meisterwerk, sondern auch ungewöhnlichen Sommerhit. Der Titelsong, der mit der Textzeile „Well, the rain exploded with a mighty crash“ das unbeständige Wetter des Sommers 1974 einfing, wurde zu einem der größten Hits der Band. Eine andere wichtige Textzeile, „If we ever get out of here“, war von George Harrions Äußerung während eines Geschäftstreffens der Beatles inspiriert. Er sagte, dass sie alle in gewisser Weise Gefangene (der anhaltenden Probleme mit ihrer Plattenfirma Apple) seien.


Paper Lace – „The Night Chicago Died“

Zwischen Bratwurst und Bier gab es an so manchem Sommerabend auch eine kleine Geschichtsstunde, die allerdings, inspiriert von Gangsterfilmen, mit der Realität nur am Rande zu tun hatte. Der Superhit der britischen Popband, Platz drei in Deutschland und Platz eins in den USA, handelt von einer Schießerei zwischen der Chicagoer Polizei und Gangstern, die mit Al Capone in Verbindung standen. Inspiriert wurde der Song durch das reale Valentinstag-Massaker, bei dem Capones Männer sieben Mitglieder der Bande von Bugs Moran töteten, obwohl keine Polizisten beteiligt waren. Die besungenen 100 erschossenen Polizisten gab es also gar nicht.


Albert Hammond – „I'm a Train“

Auch „I'm a Train“, geschrieben von Albert Hammond und Mike Hazlewood, war ein weiterer zufälliger Sommerhit des Jahres 1974. Und die Vorgeschichte des Liedes ist fast so kompliziert wie die von „Seasons in the Sun“. Es wurde erstmals 1967 von Les Troubadours unter dem Titel „La chaîne“ in französischer Sprache gesungen. Die erste englische Version wurde 1968 von einer unbekannten britischen Gruppe namens Colors of Love aufgenommen, der auch eine gewisse Elaine Paige angehörte, die später zu einem Superstar der britischen Musicalszene werden sollte. Hammond, der dieses Jahr 80 wurde, feierte damit auf Platz zwei seinen größten Hit in Deutschland.


Hues Corporation – „Rock the Boat“

Begann die Disco-Ära nun mit „TSOP“, mit diesem sanft groovenden Soul-Schleicher oder doch erst mit dem noch folgenden „Rock Your Baby“ von George McCrae? Darüber lässt sich wohl ewig streiten, sicher ist aber, dass die harmonische Bootstour mit seinem entspannten Feeling perfekt in den damaligen Sommer passte. Dabei war der Song zunächst ein Riesenflop. Erst als New Yorker Discos den Titel spielten, zogen das Radio und schließlich die Plattenkäufer nach. Während viele Soul-Titel jener Zeit in Deutschland keine Chance hatten, waren es gerade die discoinfizierten Titel, die hier die Charts eroberten.


The Rubettes – „Sugar Baby Love“

Nach ABBA und Terry Jacks war es diese Popgruppe, die im Juli 1974 sechs Wochen lang ununterbrochen an der Spitze der deutschen Hitparade stand. In der Jahresauswertung belegten sie mit ihrem Mega-Ohrwurm sogar den ersten Platz. Knapp drei Jahre lang gehörten die Rubettes mit einer Reihe von Top-Ten-Hits zu den erfolgreichsten Bands in Deutschland und Großbritannien, dann legte jemand den New-Wave- und Punk-Schalter um, und die Jungs, die an die Beach Boys oder die Beatles erinnerten, kamen schnell aus der Mode. Aber bis heute sind sie ein Höhepunkt jedes Oldie-Festivals und erinnern Zeiten, als eingängige Melodien und harmonischer Gesang die Charts dominierten.


Sparks – „This Town Ain't Big Enough for Both of Us“

Hatte da jemand etwas von eingängigen Melodien und harmonischem Gesang gesagt? Wem Rubettes & Co. zu weichgespült waren und wer befürchtete, der Glamrock sei auf dem absteigenden Ast, der konnte sich im Sommer 1974 über diese herrlich schräge Rockperle aus Amerika freuen: exaltierter Gesang in mehreren Oktaven, ein unerbittliches Gespür für Dramatik und eine Textzeile aus einem Westernfilm von 1932.  Auch der zu hörende Schuss stammt aus „The Western Code“. Es war der Beginn einer der abenteuerlichsten Musikkarrieren, die vom Synthiepop über New Wave und Disco bis zum Artrock und zur Zusammenarbeit mit den Indie-Rockern von Franz Ferdinand führte.


George McCrae – „Rock Your Baby“

Im Spätsommer 1974 stürmte der zuvor nahezu unbekannte George McCrae mit „Rock Your Baby“ die internationalen Charts und prägte den aufkommenden Disco-Sound. Der sanfte, groovende Tanzflächenfüller wurde zum Welterfolg und verkaufte sich millionenfach. Nichts war mehr wie zuvor: „Rock Your Baby“ läutete eine Ära ein, in der Discomusik bald fast die gesamte Popkultur dominierte und die Musikszene revolutionierte. Auch wenn George McCrae nie ganz an den ersten Erfolg anknüpfen konnte, war er eine der ersten großen Stimmen dieser Bewegung.