Die Flut im AhrtalWie Landrat Pföhler aus dem Amt gedrängt werden soll

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Ahrweiler Aufräumarbeiten

In Bad Neuenahr-Ahrweiler stehen die Menschen vor einer Mammutaufgabe.

Ahrweiler – Der Ahrweiler Landrat Jürgen Pföhler (CDU) sei zurückgetreten, habe sein Amt niedergelegt, hieß es am Dienstagmorgen in zahlreichen Medien. Dies habe der Kreisverband seiner Partei in einer Presseerklärung mitgeteilt.

Doch der Christdemokrat, gegen den die Staatsanwaltschaft Koblenz nach der Juli-Flutkatastrophe wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen ermittelt, hat es offenbar nicht eilig mit seinem Abgang. Er hatte sich zu Dienstag zwar krank gemeldet, von Rücktritt jedoch war keine Rede.

Auch die CDU fordert einen „personellen Neuanfang“

„Übrigens auch nicht in unserer Presseerklärung“, sagt Michael Schneider, Geschäftsführer der Ahrweiler Kreistagsfraktion, am Dienstagnachmittag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er formuliert bedacht, vorsichtig. Wie in der Pressemitteilung, die er verfasst hat, spricht Schneider vom Vertrauen der Menschen, das der Landrat verloren habe. Am Katastrophenabend des 14. Juli seien „offenbar Dinge versäumt worden“. Deshalb sei es „folgerichtig“, dass die Staatsanwaltschaft überprüfe, „wer in welchem Ausmaß die Verantwortung für die Einsatzleitung“ im Ahrweiler Krisenstab hatte.

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Pföhler könne „krankheitsbedingt sein Amt absehbar nicht mehr ausüben“. Aber auch unabhängig davon wünsche er sich „einen personellen Neuanfang, und dass der Weg dafür frei gemacht wird“, ergänzt Schneider. Und man bekommt den Eindruck, dass er über jemanden spricht, der zum wohl logischen Rücktritt von der eigenen Partei erst noch gedrängt werden muss.

Abwahl mit hohen Hürden

Nach Verbündeten braucht die CDU dabei nicht lange zu suchen. Die Grünen wollen einen Abwahlantrag in den Kreistag einbringen. Die SPD bittet Pföhler in einer Resolution, freiwillig und „zeitnah“ einen „personellen Neuanfang“ zu ermöglichen. Denn eine Abwahl sei mit hohen Hürden verbunden und ziehe zudem eine Neuwahl nach sich, die man den Menschen in der Region, die bisher noch keinen Strom, kein Gas und kein Wasser hätten, nicht zumuten wolle.

Pföhler

Landrat Jürgen Pföhler (CDU) steht in der Kritik

Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal wurden 141 Anwohner getötet, 766 wurden verletzt. Weite Teile des Tals standen unter Wasser, wodurch jetzt rund 42.000 Menschen betroffen sind - etwa durch den Verlust ihrer Häuser oder Wohnungen.

Evakuierung erst um 23.09 Uhr angeordnet

Landrat Pföhler steht im Zentrum der Kritik. Er selbst sagt, er habe die Führung derartiger Krisenstäbe bereits 2016 delegiert und sei auch am Flutabend nur kurz vor Ort gewesen, als der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) der Einsatzleitung in Ahrweiler einen Besuch abstattete. Das entlasse Pföhler nicht aus der Verantwortung, schreiben die Kreistag-Grünen in einer Mitteilung. Er habe „Ahrweiler durch seine Tatenlosigkeit in der Katastrophennacht in einem besonders kritischen Zeitpunkt sich selbst überlassen“.

Fest jedenfalls steht, dass Pföhler in der Unglücksnacht erst nach 23 Uhr eine Evakuierung angeordnet hat, da bewegte sich der Pegel in Altenahr bereits auf die sieben Meter zu. Normal sind im Sommer 50 Zentimeter.

Vorwürfe auch von den Bürgermeistern

Ist das Desaster nicht vorhersehbar gewesen? In den vergangenen Tagen wurden die Vorwürfe immer lauter. Der Ortsbürgermeister der Gemeinde Altenahr, Rüdiger Fuhrmann (CDU), berichtete, am Unglückstag hätten einzelne hauptamtliche Bürgermeister den Landrat bereits um 16 Uhr aufgefordert, den Katastrophenalarm auszurufen. Auch die Bürgermeisterin der örtlichen Verbandsgemeinde, Cornelia Weigand (SPD), gab an, dass sie schon nachmittags in der Kreisverwaltung angerufen und den Alarm gefordert habe.

Schuld zerstört 150721

Zahlreiche Häuser in Schuld im Kreis Ahrweiler sind zerstört. 

Die Zahlen, die das „Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz“ im Laufe des Tages geliefert hatte, waren jedenfalls dramatisch. Gegen 18.25 Uhr reduzierte das Amt den zuvor für den Abend auf 5,19 Meter festgelegten Pegelhöchststand Medienberichten zufolge zwar auf 4,06 Meter - was immer noch deutlich über dem bisherigen Jahrhunderthochwasser aus dem Jahr 2016 mit 3,71 Meter lag.

Der Krisenstab reagierte stundenlang nicht

Um 19.57 Uhr, als das Wasser immer weiter stieg, wurde ein prognostizierter Scheitelpunkt von 6,81 Meter errechnet. Obwohl die Fluten kurz vor 21 Uhr das Messgerät in Altenahr mit sich rissen, arbeitete das System weiter. Um 22.24 Uhr lag die Prognose schon bei 7,07 Meter.

Was genau in diesen Stunden im Krisenstab geschah, ist unklar. Erst um 23.09 Uhr wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen. Und das auch nur für Bad Neuenahr-Ahrweiler, Bad Bodendorf und Sinzig.