InterviewUwe Binner verlässt nach 44 Dienstjahren das Bergneustädter Rathaus

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Zu sehen ist ein Mann, der vor dem Rathaus in Bergneustadt auf einer Bank sitzt.

Die Tage endlich selbst gestalten können – darauf freut sich Uwe Binner in seinem Ruhestand besonders.

Am 31. August geht in Bergneustadt eine Ära zu Ende: Uwe Binner stieg vom Azubi zum Vertreter des Bürgermeisters auf.

Herr Binner, am 1. August 1979 haben Sie Ihre Ausbildung bei der Stadt begonnen, kurz darauf erlebten Sie Ihre erste Ratssitzung. Erinnern Sie sich noch, was auf der Tagesordnung stand?

Damals wurde um die Anbindung an die Autobahn gerungen. Die war zwischen CDU und SPD höchst strittig, politisch war das damals eine turbulente Zeit.

Nach der Ausbildung waren Sie zunächst in der Kämmerei und haben dann Verwaltungswissenschaften studiert. Danach ging es auf der Karriereleiter immer weiter nach oben.

Nach dem Studium habe ich kurz im Sozialamt gearbeitet, dann ins Haupt- und Personalamt gewechselt und dort unter anderem als Referent für den Stadtdirektor gearbeitet. Die Personalleitung habe ich 2005 und die Leitung des Fachbereichs „Zentrale Dienste“ 2013 übernommen. 2020 hat mich der Stadtrat dann zum Allgemeinen Vertreter gewählt – nach dem Bürgermeister das höchste Amt in unserem Rathaus. Mehr ist tatsächlich nicht möglich.

Sie hätten doch selbst als Bürgermeister antreten können.

Sehen Sie, ich besitze kein Parteibuch, und das aus gutem Grund. Ich war immer der Überzeugung, dass der Verwaltung politische Neutralität gut zu Gesicht steht. Zu Matthias Thul gibt es ein freundschaftliches Verhältnis, er ist übrigens in meinem Berufsleben der erste Bürgermeister, der jünger ist als ich.

Seit Hubert Meurer haben Sie sechs Bürgermeister und zwei Stadtdirektoren erlebt. An welche Aufgaben denken Sie gerne zurück?

Mir hat es immer großen Spaß gemacht, wenn ich über den Tellerrand gucken konnte. Da gab es eine ganze Reihe von Projekten. Die Organisation des ersten Neustadt-Treffens 1993 etwa, der Rathaus-Umzug von der Othestraße an die Kölner Straße 1999 oder die EDV-Einführung in der Verwaltung. Und nicht zu vergessen auch das von Wolfgang Stange übernommene Rathausplatz-Open-Air. Bei unserem Amtsblatt „Bergneustadt im Blick“ bin ich bis heute Mitglied der Redaktion und war lange Redaktionsleiter.

Mir hat es immer großen Spaß gemacht, wenn ich über den Tellerrand gucken konnte.
Uwe Binner hat mit sechs Bürgermeistern zusammengearbeitet

In den vergangenen 40 Jahren war der Bergneustädter Haushalt selten prall gefüllt. Frustriert das irgendwann, wenn man Ideen hat, aber oft das Geld für die Umsetzung fehlt?

Ich bin ja in Bergneustadt geboren und kann mich an eine prosperierende Kleinstadt in den Sechziger und Siebzigerjahren erinnern. Wir hatten vor der kommunalen Neugliederung rund 14 000 Einwohner und 8 000 Arbeitsplätze in der Industrie, eine auch bundesweit fast einmalige Quote. Dann folgte ab den Achtzigerjahren der Abbau der Industrie, und die Stadt geriet finanziell in schweres Fahrwasser. Ehrlich gesagt: Wir haben eine gute Ausgangsposition nicht genutzt, zum Beispiel bei der Ausweisung neuer Gewerbegebiete. In Wiehl etwa war der Konsens da, bei uns wurde zu lange zu viel gestritten.

Momentan wird Bergneustadt ja an allen Ecken aufgehübscht.

Genau, das ist eine Art Kehrtwende, die vor etwa gut 20 Jahren mit dem Rathausumbau und der Neugestaltung der Innenstadt begonnen hat. Das Freibad blieb erhalten, über die Partnerschaft mit privaten Firmen ist in unsere Schulen investiert worden, auf dem Hackenberg hat sich viel getan und nun steht auch die Weiterentwicklung der Innenstadt und der Altstadt an. Städtebau wird sichtbar – und auch das politische Miteinander ist wieder besser.

Stichwort Politik: In Vorlagen an den Bergneustädter Stadtrat bemängelt die Verwaltung regelmäßig, dass Land und Bund der Stadt Aufgaben übertragen, ohne für die Finanzierung zu sorgen.

Und das völlig zu Recht! Nehmen Sie doch einmal das neue Wohngeldgesetz. Das wurde in kurzer Zeit durch den Bundestag gepeitscht und dann standen die Menschen bei uns vor der Tür. Weder gab es eine angepasste Software, noch eine Vereinfachung beim Ablauf. Von mehr Personal für plötzlich deutlich mehr Bezieher ganz zu schweigen. Ich würde mir wirklich wünschen, dass jeder, der in einem Parlament sitzt, einmal in einer kommunalen Verwaltung gearbeitet hat. Bislang gilt zu oft das Motto: „Den Letzten in der Kette beißen die Hunde.“ Oben weiß man nicht mehr, wie es unten läuft.

Der 1. September ist der erste Tag nach Ihrem Arbeitsleben. Haben Sie schon etwas geplant?

Am ersten September-Wochenende trifft sich mein Jahrgang des Wüllenweber-Gymnasiums, wir feiern diesmal 45 Jahre Abitur. Danach fahre ich erst einmal in den Urlaub. Einfach mal Zeit für mich haben, die Tage selbst gestalten können – darauf freue ich mich wirklich riesig.


Uwe Binner, 1959 in Bergneustadt geboren, besteht 1978 das Abitur am Wüllenweber-Gymnasium. Nach dem Wehrdienst beginnt er am 1. August 1979 die Ausbildung bei der Stadt Bergneustadt. Ehrenamtlich engagiert sich Uwe Binner im Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Bergneustadt, er ist außerdem Mitglied in mehreren Chören und verbringt gerne Zeit mit Freunden und der Familie, allen voran mit seinen fünf Enkelkindern.