Zeitkapsel mit TextenMarienheider Schülerinnen vergraben Corona-Botschaften

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Luft machte sich in ihrer Reportage über die aktuelle Corona-Situation auch Schülerin Priya (rechts), die ein echtes Lächeln ohne störende Maske vermisst und sich Sorgen um ihre Großeltern macht.

Luft machte sich in ihrer Reportage über die aktuelle Corona-Situation auch Schülerin Priya (rechts), die ein echtes Lächeln ohne störende Maske vermisst und sich Sorgen um ihre Großeltern macht.

Marienheide – Auf dem Schulgelände der Gesamtschule Marienheide soll sie vergraben und in drei Jahren wieder hervorgeholt werden: eine Zeitkapsel mit Texten und persönlichen Gedanken zur Corona-Pandemie. Aufgeschrieben wurden sie von den Schülerinnen und Schülern der Klasse 7b der Gesamtschule.

Im Deutschunterricht von Klassenlehrer Mathias Deger stand das Thema „Reportage schreiben“ auf dem Plan. Nachdem sich die Klasse in Texten über ihre Klassenfahrt erstmals an das Textgenre herangetastet hatte, musste ein neues Thema her, mit dem sich alle identifizieren können. Gemeinsam mit seiner Kollegin kam Deger schnell auf die Corona-Pandemie. Gesagt geschrieben – da legte die Klasse los.

Schüler schreiben emotionale Botschaften

Was Mathias Deger anschließend zu lesen bekam, beeindruckte ihn sehr. „Der zweite Lockdown in diesem Jahr. Ich kann einfach nicht mehr. Jeden Morgen, an dem ich aufstehe, denke ich mir: Es soll aufhören!“, schreibt Schülerin Priya und macht sich Luft. „Meine Gefühle sind immer so gemischt. Ich sehe bei manchen Menschen nicht, wie es jemandem geht. Ich sehe das Lächeln nicht oder ich kann einem anderen kein Lächeln schenken wegen dieser blöden Maske.“

Ihren Mitschülern geht es ähnlich. Alle schrieben sie in ihren Reportagen Sorgen, Ängste, aber auch positive und zuversichtliche Zeilen auf – ehrlich und gerade heraus. „Wir bekommen als Lehrer selten mit, was die Schüler denken oder fühlen“, sagt Deger. Beim Lesen der Reportagen staunte er nicht schlecht, denn selbst der Klassenclown schlug auf einmal emotionale Töne an.

In einer anschließenden Runde folgte ein gemeinsamer Austausch. „Natürlich ist Corona ein ständiges Thema bei uns. Wir haben schon nach dem ersten Lockdown gespürt, wie wichtig die sozialen Kontakte für die Schüler sind und wie gehemmet viele waren, als sie nach den Ferien wieder in die Schule kamen, weil sie viele ihrer Freunde wochenlang kaum gesehen haben“, erzählt Deger.

In den Reportagen wird deutlich: Viele sorgen sich um Familienmitglieder. Priya schreibt dazu: „Ich selber finde das auch überhaupt nicht cool und auch respektlos, dass manche im Bus nicht die Maske tragen. Vielleicht finden die das bis jetzt spaßig, aber wenn es dann doch deine Oma oder deinen Opa trifft, ist das nicht mehr so toll.“

Unterricht ganz nah am aktuellen Alltag und Leben

Deger möchte den Schülerinnen und Schülern mit den Texten eine Stimme geben, denn „auch junge Menschen belastet die Krise und es ist wichtig, dass auch sie sich mitteilen können“, sagt der Klassenlehrer. Und damit die Gedanken der Schüler nicht einfach in einem Papierstapel untergehen, haben sich Deger und die 7b etwas ganz besonders überlegt. In einer Zeitkapsel sollen die Texte auf dem Schulgelände vergraben werden, zusammen mit einer Corona-Maske, einem Foto und weiteren Utensilien, die die Schüler bisher durch die Krise begleitet haben. „In drei Jahren, wenn viele die Schule verlassen werden, wollen wir die Kapsel dann wieder ausgraben und uns an die Zeit zurück erinnern, in der Hoffnung, dass Corona dann Geschichte sein wird“, verrät Deger.

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Dass die Schüler so offen über ihre Gedanken geschrieben haben, rechnet der Lehrer ihnen hoch an. Er und seine Kollegin überlegen derzeit, ob sie weitere Gesprächsrunden zu diesem Thema machen, in denen die Klasse weiterhin offen über Corona und das was sie beschäftigt sprechen kann.

Dabei werde jedoch auch akzeptiert, wenn sich einzelne Schüler nicht vor der gesamten Gruppe mitteilen möchten, betont der Pädagoge und meint: „Die Reportagen waren ein guter Weg, um allen gerecht zu werden. Vielleicht hat das ganze auch eine Art therapeutische Funktion, wenn sich die Klasse ihre Gedanken von der Seele schreiben kann. Was mit den Zeilen passiert, die auf dem Papier stehen, kann jeder für sich selbst entschieden“, so Deger und meint ergänzend zu seiner Unterrichtsstunde: „Das ist Unterricht ganz nah am Leben.“