„Unsere Meinung zählt Null“Reaktionen zur Ausgleichsrücklage im Kreistag Oberberg

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In Lindlar kippte der Kreistag seinen eigenen Beschluss aus dem März.

Oberberg – Die Kreistagssitzung im Lindlarer Kulturzentrum am Donnerstagabend war kaum zu Ende, als CDU-Fraktionschef Michael Stefer per Pressemitteilung wiederholte, warum seine Fraktion es für richtig gehalten hat, den Ende März gefassten Beschluss zur Auflösung der Ausgleichsrücklage wieder rückgängig zu machen und den Notgroschen Kreises eben nicht unter den Kommunen aufzuteilen.

In der Sitzung selbst hatten er und seine Kollegen von FDP/FWO/DU und UWG, Reinhold Müller und Jürgen Poschner, es bei kurzen Statements belassen und anschließend nahezu regungslos die Oppositionssuada über sich ergehen lassen. Deren 25 Wortmeldungen hatten alle denselben Tenor: Einmal gefasste Beschlüsse umgehend aufheben zu wollen, entspreche nicht demokratischen Gepflogenheiten, und die 6,5 Millionen Euro aus der Rücklage bräuchten die Kommunen gerade viel nötiger als der Kreis.

Schlechtes Klima im Kreistag

Der Vorgang am Donnerstagabend sorgte nicht nur für eine weitere, bislang nicht gekannte Klimaverschlechterung im Kreistag. Auch in den Rathäusern ist das Echo verheerend. Vor allem die Bürgermeister mit CDU-Parteibuch sind sauer, dass ausgerechnet ihre Partei es war, die für die Wende sorgte. „Noch nie ist so klar geworden, dass unsere Meinung im Kreistag wirklich Null zählt“, sagt Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies (CDU), „das kann so nicht weitergehen.“ 1,4 Millionen Defizit weist der Reichshof-Etat für 2021 aus. Um die auszugleichen, muss Reichshof seine eigene Rücklage jetzt deutlich stärker angreifen als geplant, während der Kreis seine eigene weitgehend ungeschoren lässt.

Dass der erst am Dienstag eingereichte Antrag der drei Fraktionen zur Rücknahme eigentlich aus der Feder von Kreiskämmerer Klaus Grootens stammt, wie am Rande der Kreistagssitzung gemutmaßt wurde, weist Stefer zurück. Man habe in der Fraktion ergebnisoffen diskutiert. Grootens habe dabei sehr überzeugend dargelegt, warum der Kreis die Rücklage weiterhin brauche. Dass die eine oder andere seiner Formulierungen danach im Antrag übernommen wurde, könne den falschen Eindruck erweckt haben.

Ergebnisoffene Diskussionen

Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein sprach gestern gegenüber dieser Zeitung von einem Pyrrhussieg, also einem zu teuer erkauften Erfolg der Kreistagsmehrheit, für den die Bürger am Ende die Zeche zahlen müssten. Dabei hätten die Bürgermeister dem Kreis ein ausgewogenes, lösungsorientiertes Papier zur Frage der Kreisumlage vorgelegt. Scharf kritisierte CDU-Mitglied Helmenstein zudem die „Nicht-Kommunikation“ in seiner Partei. Statt vorher über den Rücknahmeantrag informiert zu werden, habe er von dritter Seite davon erfahren müssen: „Das muss nachgearbeitet werden.“ Mit großer Sorge sieht Helmenstein, wie sich das Verhältnis innerhalb des Kreistags und zur Kreisverwaltung durch die „Dauerscharmützel“ immer weiter verschlechtert.

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Die Bürgermeister seien tief enttäuscht, sagte ihr Sprecher Dr. Gero Karthaus (Engelskirchen, SPD). Schon jetzt zeichneten sich für das kommende Jahr schwerwiegende finanzielle Folgen der Pandemie ab. Einige Kommunen könnten nach dem Kreistagsbeschluss vom Donnerstag deshalb eher vor der Entscheidung stehen, die Grundsteuer erhöhen zu müssen.