„Da dürfen wir nicht wegschauen“Wiehlerin blickt mit Sorge auf Familienheimat Bosnien

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Eine Studienreise, die Dzana mit anderen Wiehler Gymnasiasten nach Srebrenica unternehmen wollte, musste abgesagt werden.

Eine Studienreise, die Dzana mit anderen Wiehler Gymnasiasten nach Srebrenica unternehmen wollte, musste abgesagt werden.

Wiehl – Dzana Toromanovic sagt: „Ich war glücklich, das aufzuarbeiten.“ Die Familie der 18-jährigen Wiehlerin stammt aus Bosnien. Mit „das“ meint sie den Völkermord im ehemaligen Jugoslawien. Im Januar wollte Dzana Toromanovic zusammen mit Mitschülerinnen und Mitschülern unterschiedlicher Religionen bei einer Schulfahrt des Wiehler Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums die Massengräber in Srebrenica besuchen.

1995 wurden dort 8000 Bosnier von serbischen Soldaten, Polizei und Paramilitärs ermordet, unter den Augen von Blauhelm-Soldaten. „Wir sind doch die Zukunft, wir werden morgen Politik und Wirtschaft gestalten, da dürfen wir nicht wegschauen“, sagt die 18-Jährige.

Auseinandersetzung mit Bosnien aktueller denn je

Die lange vorbereitete Schulfahrt wurde abgesagt, nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen frisch aufflammender politischer Spannungen durch nationalistische Bestrebungen im serbischen Teil Bosniens. Für die Abiturientin, die von sich sagt, dass sie „zwei Heimaten und zwei Sprachen“ hat, ist damit die Geschichte ihrer Familie plötzlich erschreckend nah gekommen. Die Auseinandersetzung mit ethnischen und religiösen Gräben ist trotz des ausgefallenen Bosnien-Besuchs aktueller denn je.

Während ihr Vater schon mit 13 Jahren als Gastarbeiterkind nach Gummersbach gekommen war, erlebte ihre Mutter den Beginn des Balkankriegs als Studentin in Sarajewo. Sie erzählte der Tochter von ihrer Trauer und von der Enttäuschung, als serbische Freunde plötzlich auf Distanz gingen. Als Schilder an den Geschäften auftauchten, die den Zutritt für „Hunde und Muslime“ verboten. Und als eine Durchsage in der Disko den Kriegsbeginn verkündete. Über Umwege floh die Mutter nach Gummersbach, dort lernten sich die Eltern kennen. „Ich kann das mitfühlen, auch wenn ich selbst keinen Krieg erlebt habe“, sagt die 18-Jährige.

Diskriminierung erlebt Wiehlerin auch im Alltag

Diskriminierung und Ausgrenzung sehe sie im Alltag, etwa wenn jemand sie lobe: „Du sprichst aber gut Deutsch!“ Dabei könne sie sich nicht erinnern, dass sie jemals kein Deutsch gesprochen habe. Nein, sie habe sich nie fremd gefühlt, sondern immer „ganz normal“. Und doch: Als Muslima unter Christen habe sie vielleicht feinere Antennen, wenn sich andere von einer Mitschülerin mit Kopftuch distanzierten. Dzana Toromanovic weiß, dass die Aussage „Hier in Deutschland meldet man sich, bevor man was sagt“ das Gefühl von Fremdheit verstärken kann. Umso wichtiger sind ihr Aufklärung und Dialog: „Es wird zu viel gehetzt. Terrorismus ist keine Religion. Und niemand – ganz gleich woran er glaubt – sollte andere in eine Schublade stecken.“

Im April macht Dzana Abitur, ihr ehrgeiziges Ziel: ein Notendurchschnitt von 1,2 auf dem Zeugnis. Danach will sie Medizin oder Naturwissenschaften studieren und einen angesehenen Beruf ergreifen, in dem sie etwas bewirken kann. „Es macht mir unfassbar viel Spaß zu lernen und gute Noten zu bekommen, Ziele zu erreichen“, sagt die Gymnasiastin. Die Eltern – Werkstoffprüfer der Vater, Köchin mit Philosophiestudium die Mutter – hätten sie immer zum Lesen angeregt und großen Wert auf Bildung gelegt. „Dein Kopf muss gefüttert werden, ganz egal, ob Du zur Schule gehst oder eine Ausbildung machst“, zitiert sie ihren Vater.

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Warum das andere nicht hinbekommen? „Es kommt auf die Unterstützung der Eltern an und auf einen selbst“, findet Dzana Toromanovic. „Mir gibt das Lernen ein Glücksgefühl.“ Und wenn der Kopf im Abiturstress doch mal zu voll und „Matsche ist“, dann entspannt sie sich in Wiehl beim Eiskunstlauf, „da kommt man super runter“.