Enttäuschung und WutLeitentscheidung zum Kohleausstieg spaltet den Rhein-Erft-Kreis

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Leitentscheidung Kohlestopp

Das Wort „Kohlestopp“ ist am Rande des Braunkohletagebau Garzweiler mit Steinen gelegt worden.

Rhein-Erft-Kreis/Revier – Am Dienstag wurde von der Düsseldorfer Landesregierung die Leitentscheidung zum Kohleausstieg vorgestellt. Die Entscheidung schreibt den Erhalt des Hambacher Forstes fort. Ebenso schreibt sie eine Verkleinerung der Abbauflächen fest. Rund um die Tagebaue Hambach und Inden werden 900 Hektar Ackerland nun nicht wie vorgesehen in Anspruch genommen. Morschenich, das bereits weitgehend geräumt ist, bleibt bestehen, was mit den fünf vom Abbaggern bedrohten Dörfern am Tagebau Garzweiler wird, bleibt vorerst offen.

Elsdorfs Bürgermeister Andreas Heller beklagt, dass die Stadt ein Drittel des Stadtgebiets, das im Tagebau liegt, nun nicht zurückbekommt. Durch die Veränderungen seien die über Jahre erbrachten „Opfer umsonst“. Elsdorf sei „wie keine andere Stadt“ in der Entwicklung eingeschränkt und habe sich eine „gerechtere Zukunftsperspektive“ erhofft. Anstatt für diesen „enteignungsgleichen Eingriff“ die finanzielle Kompensationen zuzusagen, belasse es die Landesregierung bei „Zustandsbeschreibungen und vagen Entwicklungsperspektiven“. „Gestern war ein guter Tag für die Umwelt, aber ein schlechter Tag für Elsdorf.“

„Massiv vom politisch gewollten Ende der Braunkohleverstromung betroffen“

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Das frühere Ende des Tagebaus begrüßt sein Kerpener Kollege Dieter Spürck. „Das spart bedeutende Mengen an CO2 ein“. Zudem würden so der Hambacher Forst und weitere Wälder gesichert. Auch der Erhalt der Kartbahn sei erfreulich. „Außerordentlich bedaure ich dagegen, dass die Manheimer Bucht für die Gewinnung von Erdmassen in Anspruch genommen werden soll.“ Es werde Wald gefährdet und Entwicklungsfläche gehe verloren. „Nach wie vor hat RWE nicht nachgewiesen, dass zwingend dazu das Bodenmaterial aus der Manheimer Bucht genommen werden muss.“

„Im Rhein-Erft-Kreis sind wir massiv vom politisch gewollten Ende der Braunkohleverstromung betroffen, aber wir entwickeln schon seit Jahren Pläne und Wege für neue Arbeitsplätze“, kommentiert Landrat Frank Rock. Innovation, Bildung, Umweltschutz und neue Arbeitsplätze würden in alle Entscheidungen mit einbezogen. „Auch der blockspezifische Stilllegungspfad gibt jetzt den genauen Pfad vor, in welcher Zeit die wegfallenden Arbeitsplätze adäquat ersetzt und durch innovative, nachhaltige und hochwertige neue Stellen ausgeglichen werden müssen.“

Kritik von den Buirern für Buir

RWE begrüßt die weiteren Schritte zur Umsetzung des gesetzlichen Kohleausstiegs für alle Tagebaue im Rheinland. Durch die Leitentscheidung sei ein geordneter Betrieb der Tagebaue Hambach und Inden sichergestellt, deren Kohlegewinnung bis 2029 endet. „Der Tagebau Garzweiler kann bis zum Auslaufen der Kohleverstromung die Versorgung der verbleibenden Kraftwerke und Veredelungsbetriebe leisten.“ RWE-Beschäftigte und weitere Auftragnehmer hätten damit eine planbare Perspektive.

Kritik kommt von den Buirern für Buir und Antje Grothus: Die Buirer für Buir sind enttäuscht über die Leitentscheidung der NRW-Landesregierung. „Wir hätten uns mehr Klarheit gewünscht, stattdessen gibt es viel Konjunktiv“, sagt Andreas Büttgen von der Initiative. So sei immer noch nicht endgültig klar, welche Orte abgebaggert werden dürfen und wie die Rest-Seen aussehen sollen. Auch enttäuschend sei die angebliche Rettung des Hambacher Forstes, die in der Leitentscheidung festgehalten wurde, sagt Büttgen. „Die Entscheidung, bis zu 50 Meter an den Wald heran abzubaggern, rettet den Wald nicht, sondern zerstört ihn.“

Leitentscheidung Proteste

Aktivisten haben am Dienstag vor der Staatskanzlei mit einem Greenpeace-Banner mit der Aufschrift „Armin Laschet will Klima und Dörfer zerstören!“ und einem gelben Kreuz gegen den Braunkohleabbau demonstriert.

Antje Grothus, Mitglied der Kohlekommission, sieht in der Entscheidung von Armin Laschet und der Landesregierung einen Bruch des Kohlekompromisses. „Statt die Dörfer jetzt langfristig unter Schutz zu stellen und den in den Dörfern lebenden Menschen an den Tagebauen Garzweiler und Hambach eine gute und lebenswerte Zukunft zu garantieren, schafft die Landesregierung mit dieser Leitentscheidung weiterhin jahrelange Planungsunsicherheit und unzumutbare Belastungen für alle Betroffenen.“

Auch die Kerpener Grünen sind „entsetzt“ von der Leitentscheidung: „Bei der Pressemitteilung von Herrn Pinkwart wurde uns wieder deutlich vor Augen geführt, dass er die Interessenlage nur einseitig vertritt und ihm der erzielte Kohlekompromiss egal ist“, so der Fraktionsvorsitzende Peter Abels.

BUND sieht Pariser Klimaziele in Gefahr

Der BUND und die Klimaallianz Deutschland meinen, die Leitentscheidung sei weder zukunftsfähig noch leiste sie einen Beitrag zur Befriedung des Konflikts um die Braunkohle: „Mit der vorgesehenen Ausdehnung der Braunkohletagebaue kann Deutschland die Pariser Klimaziele nicht einhalten“ Und sieben weitere Dörfer sollen den Tagebauen Garzweiler und Hambach zum Opfer fallen, schreiben die Initiativen, obwohl mehrere unabhängige Gutachten zeigten, dass es dafür keine Notwendigkeit gebe. „Der Hambacher Wald wird durch die nahen Abgrabungen in seiner ökologischen Substanz gefährdet.“

„Es ist gut und wichtig, dass die Leitentscheidung nun verabschiedet wurde“, meint Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler. Er freue sich, dass die Eingaben zum Entwurf ernst genommen worden seien und in die nun abgestimmte Version eingeflossen sei. „Neben den überregionalen und überragenden Auswirkungen auf die Umwelt, dass zum Beispiel 1,2 Milliarden Tonnen CO2 im Boden verbleiben - und damit NRW Vorreiter im Klimaschutz ist - hat das Ende des Braunkohleabbaus für uns in Bergheim insbesondere konkrete Auswirkungen auf das Thema Wasser. Zum einen sei eine wichtige Maßnahme der Leitentscheidung, die Erft in einen naturnahen Zustand zurück zu führen. „Dies wird vielerorts bereits gemacht und findet unsere volle Unterstützung.“ Zum anderen werde es einen Einfluss auf die Trinkwasserversorgung geben. Zu Beeinträchtigungen der Wasserqualität werde es aber nicht kommen. Das kontrollierten die Stadtwerke und die zuständigen Behörden. „Die Leitentscheidung bestätigt wie erwartet noch einmal den Stilllegungspfad“, sagt Mießeler und verweist auf Planungssicherheit, was die Kraftwerksblöcke in Niederaußem betrifft. „Gemeinsam werden wir nun gute Lösungen für Rückbau oder Nachnutzung entwickeln.“ Mießeler erhofft sich von der Leitentscheidung nun weiteren Schwung im Strukturwandel, insbesondere was Förderungen angeht.

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Die Rhein-Erft-CDU sieht die Leitentscheidung als wichtigen Prozess für Klimaschutz, Energieversorgung und Strukturwandel und spricht in einer Stellungnahme von einem „Meilenstein“. Die Landesregierung habe Perspektiven und Rahmenbedingungen bis ins Jahr 2038 aufgezeigt. „Wir tragen nicht nur Verantwortung für die Umwelt und das Klima. Wir tragen auch Verantwortung für die Menschen, die im Rheinischen Revier arbeiten, und ihre Familien“, sagt die Landtagsabgeordnete Romina Plonsker. Bundestagsabgeordneter Georg Kippels betont: „Für Experimente und Nachverhandlungen darf es keinen Spielraum geben. Die Region braucht Verlässlichkeit und Verbindlichkeit.“