Corona-InfektionenAngehörige des Wohnheims erhielten lange keine Informationen

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Nach einer Häufung von Corona-Infektionen musste das heim in Sankt Augustin zwangsgeräumt werden.

  • Die Tochter einer Bewohnerin erhebt nach der Zwangsräumung einer Senioreneinrichtung in Sankt Augustin Vorwürfe.
  • Stadt, Kreis und Heimleitung hätten Angehörige nicht informiert, dass im Zuge einer massenhaften Infektion mit dem Corona-Virus die Bewohner in Krankenhäuser verteilt wurden.
  • Erst nach Tagen „wusste ich, wo meine Mutter ist“, sagt die Frau.

Sankt Augustin – „Es gibt Pandemiepläne“, sagte man den Angehörigen, als im CBT-Wohnheim St. Monika die ersten Corona-Infektionen bekannt wurden. „Und die werden auch befolgt.“

Die Kommunikation aber habe wohl zu wünschen übrig gelassen, berichtet eine Angehörige auf Anfrage dieser Zeitung. „Wir bekamen absolut keine Informationen vom Haus, der Stadt oder vom Kreisgesundheitsamt“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

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Tochter erfuhr aus dem Fernsehen von Krise im Heim

Aus dem Fernsehen erfuhr die Sankt Augustinerin am Gründonnerstag von der Krise in dem Heim, wo seit einiger Zeit auch ihre Mutter lebt. „Es geht um Leben und Tod“, habe der Landrat gesagt; die vorgeschlagene Möglichkeit, Angehörige zu sich zu holen, kann die Familie aber nicht umsetzen.

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Das Bild der möglicherweise hilflosen und nicht versorgten Mutter vor Augen, versuchte die Tochter, mehr in Erfahrung zu bringen. „Es war ja keiner erreichbar.“

Chronologie

Stadt hatte erste Informationen Ende März

Ein Team der Kriminalpolizei ermittelt zurzeit wegen der Vorfälle über die Osterfeiertage in der Senioreneinrichtung St. Monika der Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft (CBT). Die Stadt hatte Anzeige erstattet, nach dem Vorwürfe laut geworden waren, dass Mitarbeiterin des Seniorenheimes unter Androhung von Kündigung zur Arbeit gezwungen worden seien.

Eskalation an Karfreitag

Die Situation eskalierte am Karfreitag, 10. April. „Es gibt keine Altenpflegekräfte mehr im Heim“, hatte Bürgermeister Klaus Schumacher damals mitgeteilt. Vorher, so eine spätere Aussage einer Mitarbeiterin, seien von der CBT-Heimleitung Pflegekräfte aufgefordert worden, Quarantänevorschriften zu verletzen worden, um einen Personalnotstand zu verhindern. Der größte Teil der Mitarbeiter habe unter Quarantäne gestanden. Ersatz habe nicht gefunden werden können.

Katastrophenschutz im Einsatz

Sogar der Katastrophenschutz kam über Ostern zum Einsatz. Mitarbeiter des Malteser Hilfsdiensts aus Lohmar hielten den Betrieb aufrecht. Von 145 Senioren waren 47 mit dem Coronavirus infiziert. Etwa 40 erkrankte Senioren wurden mit Rettungs- und Krankenwagen in Kliniken gebracht, weil die Versorgung vor Ort nicht mehr möglich war. Die Stadt Sankt Augustin habe am 31. März spätabends, also deutlich nach Dienstschluss, zunächst über die behandelnde Ärzteschaft von den ersten Infektionen im CBT-Wohnhaus erfahren, teilte Ali Dogan mit. Er ist Beigeordneter und operativer Leiter des Krisenstabes der Stadt.

Kontakt zum Landrat

Als Krisenstabsleiter habe er damals unmittelbar zum Büro des Landrats Kontakt aufgenommen. „Der Landrat rief mich sofort zurück, und wir haben die Lage erörtert“, berichtet Dogan. „Parallel dazu hat ein Mitglied unseres Krisenstabs Kontakt zu der Heimleitung aufgenommen, die die Zahlen von den ersten Infizierten– drei Pflegepersonen und eine Bewohnerin – bestätigen konnte.“ (vr)

Per E-Mail wandte sie sich daher an den Träger, die Stadt und die Kreisverwaltung. Automatisch kam die Antwort aus dem Kreishaus: Wegen der Feiertage sei geschlossen, die E-Mail werde am Dienstag weitergeleitet. Telefonisch konnte die Mutter immerhin die Tochter beruhigen. „Ich liege im Bett, mir geht es gut.“

Bis heute sind übrigens alle Tests bei der alten Dame negativ geblieben. Zugespitzt habe sich die Lage für die Angehörigen am Karfreitag: „Wir wussten nicht, was mit unseren Eltern passiert.“ Die Familien fragten sich, wer wohin gebracht werden solle und welches Krankenhaus die Menschen aufnehme. Erst am Freitagabend „wusste ich, wo meine Mutter ist“.

Angehörige über Arbeit der Pflegekräfte in St. Monika: „Fast nicht machbar“

Am Samstag meldeten sich schließlich auch Verantwortliche aus dem Haus und vom Träger: Man werde aus dem Vorgefallenen lernen, versicherten die Anrufer. Bei allem Ärger über das Chaos an Ostern hat unsere Gesprächspartnerin die Situation des Personals in St. Monika nicht aus dem Blick verloren.

„Die tun, was sie können, dafür gebührt ihnen höchste Anerkennung.“ Zumal die Arbeit erschwert werde durch die Sicherheitsauflagen: „Fast nicht machbar“ sei das, zumal auch die zahlreichen Freiwilligen nicht ins Haus könnten, die sonst helfen oder für Abwechslung sorgen.

Patienten halten Isolation nicht aus

Kein Wunder, dass nicht nur Demenzkranke die Isolation in ihren Zimmern als „Katastrophe“ empfanden. „Ich halte das nicht mehr aus“, klagte die Mutter am Telefon, andere verließen wohl trotz der Auflagen ihre Zimmer und mussten wieder zurückgebracht werden.

Übrigens: Die Kreisverwaltung hat sich dann am Dienstag nach Ostern tatsächlich noch gemeldet – mit einem Einzeiler. „Vielen Dank für Ihre Nachricht. Bitte wenden Sie sich hierzu direkt an das Haus Sankt Monika in Stuttgart.“