Viele TraumataPsychologische Hilfe für Ukraine-Geflüchtete – Worauf es nun ankommt

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Geflüchtete warten an der ukrainsch-polnischen Grenze.

  • Zehntausende Schutzsuchende aus der Ukraine kommen in diesen Tagen nach Deutschland.
  • Viele von ihnen bringen Traumata durch Krieg und Flucht mit sich.
  • Was die Betroffenen und ihre Helfer nun brauchen, um mit der Situation fertig zu werden.

Berlin – Nächte im Luftschutzbunker und Raketen, die in Wohnhäuser einschlagen. Mütter und Kinder, die ihre Ehemänner und Väter im Krieg zurücklassen müssen. Dann eine gefährliche Flucht, auf der auch Menschenhändler nach neuen Opfern suchen. Viele Geflüchtete aus der Ukraine bringen Traumata mit, die sie nicht alleine bewältigen können.

Mit einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach psychologischen Hilfsangeboten rechnet Diplom-Psychologin Cony Lohmeier aus München, allerdings erst etwas zeitversetzt. „Erfahrungsgemäß ist es so, dass Geflohene erst mal froh sind, anzukommen und manche Erlebnisse, die besonders schwerwiegend waren, auch gut verpackt haben“, sagt Lohmeier im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Der Bedarf an psychologischer Hilfe komme, wenn die Menschen zur Ruhe gekommen seien und existenzielle Bedürfnisse wie Wohnung und Einkommen gesichert sind.

Dann erst sei „der psychische Apparat in der Lage“, die Seeleiden „wieder hochzubringen und zu bearbeiten“, erklärt die Psychologin, die lange Zeit Jugendhilfeeinrichtungen psychologisch beraten hat, in denen Geflüchtete betreut werden. Trotzdem sei es bereits jetzt wichtig, dass es Angebote zur Bewältigung akuter Krisen gibt. „Wenn die Nachricht kommt von einem Verlust von Angehörigen, dann braucht es Unterstützung im Sinne von Krisenintervention.“

Solche Angebote sollten am besten — so wie es vielerorts bereits geschehe — von den Organisationen vor Ort wie der AWO oder dem Roten Kreuz organisiert werden. Nicht immer sind es in solchen Fällen studierte Psychologinnen oder Psychotherapeuten, die helfen.

Auch Helferinnen und Helfer brauchen Unterstützung

Oft seien es auch Menschen aus der Sozialarbeit oder der Seelsorge, die den Betroffenen zur Seite stehen. Allerdings seien es nicht nur die Geflüchteten, die Hilfe benötigen. Auch die vielen Helferinnen und Helfer bräuchten Unterstützung von psychologischen Experten, um mit der belastenden Arbeit umgehen zu können.

Dass es genug akute psychologische Hilfe für die Geflüchteten gibt, da ist Lohmeier zuversichtlich. Zumindest, wenn es um große Städte geht. Vor allem in den Metropolen gibt es viele Organisationen, die sich für das psychologische Wohl von Geflüchteten einsetzen. Eine davon ist das Berliner Zentrum Überleben, wo Geflüchtete umfassende psychosoziale Versorgung erhalten können.

Dort suchen seit Kriegsbeginn schon deutlich mehr Menschen Unterstützung: „Als eines der großen Zentren für Geflüchtete intensiviert sich unsere Arbeit dadurch erheblich. Wir sind schon jetzt ausgelastet mit Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und Irak“, sagt die Geschäftsführerin Karin Weiss. Die könne man nicht einfach auf die Seite schieben. Langfristig rechnet auch sie mit einer noch stärkeren Belastung des gesamten Versorgungssystems.

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Deswegen fordert sie von der Politik eine bessere Finanzierung: „Natürlich brauchen wir mehr Geld für mehr Angebote. Wir nehmen seit Jahren mehr Geflüchtete auf, was gut ist, aber die Versorgungsstrukturen kommen nicht hinterher.“

Mehr Geld für mehr Angebote nötig

In eine ähnliche Richtung geht auch das Anliegen von Cony Lohmeier: „Wir brauchen eine größere Dichte an Therapiemöglichkeiten und eine breitere Übernahme durch die Kostenträger“, spielt die Psychologin auf das lang bekannte Problem in der psychotherapeutischen Versorgung an, dass die Krankenkassen nicht genug Fachärzte zulassen.

„Wir wollen auch die vielen Ehrenamtlichen, die gerade helfen, unterstützen und arbeiten daran, Schulungen anzubieten, die Co-Traumatisierungen vorbeugen und ihnen im Umgang mit den Geflüchteten helfen sollen“, erklärt Weiss. Dabei gehe es darum, die Ehrenamtlichen für psychische Probleme zu sensibilisieren und ihnen selbst den Umgang mit den gehörten Leidensgeschichten zu erleichtern.