Statt KohleWasserstoff-Pipeline soll durch Weilerswist führen – Kritik an Bundesregierung

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Das Bild zeigt einen Braunkohlebagger in der Nähe des ehemaligen Ortes Lützerath. Im Hintergrund sind Windräder zu erkennen.

Windräder im Hintergrund, Kohleabbau im Vordergrund. Zudem könnte Wasserstoff als Energiequelle künftig eine große Rolle spielen.

Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Wasserstoff könnte dabei eine Rolle spielen. Der Kreis Euskirchen will nicht abgehängt werden.

In der griechischen Sage ist Herkules ein Superheld. Einer, der ganz schön stark ist, auf den man sich verlassen kann. Ein möglicher moderner Superheld hört ebenfalls auf diesen Namen, wird aber anders geschrieben: H2ercules.

Die tiefgestellte „2“ soll klarmachen, dass der neue Superheld der Energiewirtschaft der Wasserstoff ist. H2ercules ist ein Projekt von RWE und OGE und will die Dekarbonisierung vorantreiben. Als Dekarbonisierung wird der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen bezeichnet. Die beiden Unternehmen wollen nach eigenen Angaben in den nächsten sechs Jahren ein Wasserstoffnetz aufbauen, das mehr als 2000 Kilometer Pipeline umfasst.

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Eine dieser Pipelines soll – so geht es zumindest aus dem neuesten Trassenverlauf hervor – durch Weilerswist verlaufen und damit den Kreis Euskirchen inkludieren. Das war bisher bei allen Planungen seitens der Open Grid Europe GmbH nicht der Fall. Die Open Grid Europe ist in der Region zuständig für den Leitungsausbau des Kernnetzes.

Eine Hauptpipeline, die die nördlichsten Zipfel des Kreises kreuzt, ist das eine, eine lokal-regionale Verteilnetzebene das andere. Und in diesem Punkt sieht der Kreis Euskirchen nach eigenen Angaben Nachholbedarf. Das geht aus der Antwort hervor, die die Verwaltung auf Antrag der Liste aus CDU, UWV und FDP im jüngsten Strukturausschuss gab.

Kreise Düren, Heinsberg und Euskirchen sind unglücklich über Planungen

Der Kreis sieht eine mögliche Verteilung des Wasserstoffes in der Region aber nicht als Einziger kritisch. Deshalb haben schon vor drei Jahren die Kreis Düren, Euskirchen, Heinsberg sowie die Stadt und die Städteregion Aachen den Hydrogen Hub Aachen gegründet. Und der Zusammenschluss – und damit auch der Kreis Euskirchen – schießt nun scharf gegen das jüngst veröffentlichte Green Paper des Bundeswirtschaftsministeriums zur Transformation der Gas-/Wasserstoffverteilnetze.

„Wir bewerten das vorliegende Papier äußerst kritisch, da es sich ausschließlich auf den Rückbau und die Stilllegung der Verteilnetze konzentriert. Ansätze für Rahmenbedingungen zum notwendigen Aufbau und Betrieb von Wasserstoffverteilnetzen bleibt es schuldig und ignoriert die Bedarfe der Industrie, insbesondere des industriellen Mittelstands, sowie eine mögliche Nutzung des Netzes als Speicher“, heißt es in der Stellungnahme.

Fokus liegt laut Green Paper auf Stilllegung der Gasleitungen

Das Green Paper mache den zweiten Schritt vor dem ersten. Es sei richtig, dass künftig weniger Gas verbraucht werde und darum auch die Stilllegung nicht mehr benötigter Infrastruktur thematisiert werden sollte. Wie groß der Bedarf an Wasserstoff oder Biomethan sein werde, sei jetzt noch nicht abzuschätzen.

„Der alleinige Fokus des Green Papers auf Stilllegungen und Rückbau der Gasnetze ist kontraproduktiv und gefährdet den Aufbau von Alternativen“, heißt es in der Stellungnahme. Und weiter: „Viele mittelständische Unternehmen liegen nicht unmittelbar am geplanten Wasserstoff-Kernnetz."

Laut IHK: Gasverbrauch von 1605 GWh der Unternehmen aus dem Kreis

„Um die Versorgung dieser Industriestandorte sicherzustellen, müssen Infrastrukturen auf der Verteilnetzebene geschaffen werden. Nur wenn diese Infrastrukturen parallel aufgebaut werden, kann der Industrie die benötigte Perspektive gegeben werden, um die für den Erhalt der Standorte notwendigen Investitionsentscheidungen zu treffen.“

Eine von der IHK initiierte Anfrage bei Betrieben aus dem Kreisgebiet ergab, dass sie einen Gasverbrauch von 1605,3 GWh und einen Stromverbrauch von 960,8 GWh pro Jahr haben. Der Transformationsprozess sei „äußerst komplex“, da je nach Unternehmen sehr unterschiedliche Anforderungen bestünden.

Nach Angaben der e-regio haben Kunden des Kuchenheimer Energieversorgungsunternehmens „lediglich unverbindliches Interesse an Wasserstoff bekundet, meist als eine von mehreren technologischen Optionen zur Dekarbonisierung ihrer Aktivitäten“. Großverbraucher seien aber bereits seitens des Energieversorgers in die Planungs- und Regelprozesse einbezogen worden.

Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben schon detaillierte Analysen potenzieller Wasserstoffbedarfe im eigenen Netzgebiet durchgeführt. Wie die ausgefallen sind und welche Pläne es gibt? Das könnte in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Strukturentwicklung beleuchtet werden. Zu der will der Kreis Vertreter der Open Grid Europe GmbH, der IHK, des Hydrogen Hub und der e-regio einladen.


Großes Netzwerk hat auch den Kreis Euskirchen im Blick

Der Hydrogen Hub Aachen wurde im Mai 2021 gegründet und ist eine Initiative der Industrie- und Handelskammer Aachen, der Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg sowie der Stadt und Städteregion Aachen. Er verfolgt das Ziel, den Start der regionalen Wasserstoffwirtschaft zu forcieren und eine Positionierung als Wasserstoffmodellregion zu erreichen. Dazu wurde ein umfassendes Netzwerk, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern aus rund 350 Unternehmen, Verwaltungen und Forschungseinrichtungen aufgebaut.

Die zukünftige Versorgung mit grünem Wasserstoff hat für die Region Aachen eine besondere Relevanz, da sie durch den Kohleausstieg einen gravierenden Strukturwandel bewältigen muss. Die bis dato uneingeschränkte Verfügbarkeit von kostengünstiger Energie hat in der Region zu einer hohen Dichte an energieintensiven Industrien geführt.

Diese Industriezweige können nach Angaben des Hydrogen Hubs zukunfts- und wettbewerbsfähig sein, wenn ihnen nachhaltige Energien gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden. Dazu bedürfe es einer umfassenden Transformation.