Streit um 100.000 EuroEx-Prostituierte beschuldigt Leverkusener Versicherungsmakler

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Geld dpa

Im Prozess in Opladen ging es um viel Geld.

Leverkusen – Schuldet ein Leverkusener Versicherungsmakler einer ehemaligen Prostituierten mehr als 100.000 Euro? Wer hatte ihr das Konto in der Schweiz eröffnet, und wurde der Versicherungsmakler tatsächlich von zwei jungen Männer besucht, die ihm drohten, „den Laden platt zu machen“, sollte er das Geld der Frau nicht zurückzahlen? Am Freitag beschäftigte sich das Amtsgericht in Opladen mit genau diesen Fragen, eine räuberische Erpressung im Mai 2019 stand im Raum. Ein 29-Jähriger als Teil des Duos war angeklagt.

Doch der Prozess drehte sich vor allem um den Versicherungsmakler und die ehemalige Prostituierte. Die Version des Mannes, der als Zeuge aussagte, unterschied sich ganz fundamental von der der Frau. Einig waren sich die beiden, dass sie sich in den 90ern in einer Gaststätte auf der Düsseldorfer Straße in Opladen kennengelernt haben, zunächst privat, später hat es dann mindestens einmal Sex gegen Geld gegeben. Danach blieb man in losem Kontakt. Ab hier gehen die Geschichten auseinander.

Der Versicherungsmakler beteuert, die Frau habe ihn gebeten, 25 000 Euro in bar für sie aufzubewahren, ihr angeblich ahnungsloser Mann solle von ihrer Tätigkeit nichts erfahren. Er gab an, das Geld in seinem Schreibtisch im Büro eingeschlossen zu haben, 2006 soll das gewesen sein. Im Laufe der Jahre soll sich die Frau immer mal wieder einige Summen abgeholt haben, bis das Geld weg war.

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Konto in der Schweiz

Zusätzlich habe sie ihn gebeten, ein Konto in der Schweiz zu eröffnen. Er half ihr, die Papiere auszufüllen, mehr aber nicht, denn damit wolle er nichts zu tun gehabt haben, betonte der Mann. Jahre später, am 13. Mai 2019, tauchten dann in seiner Version zwei junge Männer auf, bedrohten ihn – „wir wissen, wo dein Sohn zur Schule geht“ – und verlangten das Geld der Frau zurück. Das sie ja seiner Erzählung nach im Laufe der Zeit bereits peu à peu genommen habe. Er habe danach unter anderem mit einem Rechtsanwalt und einem befreundeten Gastronomen, der früher Personenschützer gewesen sein soll, telefoniert und sich beraten, dann ging er zur Polizei.

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Die mittlerweile 47-jährige ehemalige Prostituierte, die zwischendurch als Kellnerin tätig war und nun arbeitslos ist, schildert die Geschichte wie folgt: Immer wieder hatte sie dem Versicherungsmakler Geld anvertraut. Er habe ein „sympathisches, sicheres Auftreten“ gehabt, erzählt sie. Im Laufe der Jahre kamen mehr als 100 000 Euro zusammen. Sie wollte in der Tat ein Konto in der Schweiz eröffnen, dort solle man höhere Zinsen bekommen, hatte sie gehört. Aber die Idee habe der Versicherungsmakler gehabt, nicht sie, und er habe das Konto auch eröffnet. Vereinbart wurde, dass sie monatlich 300 Euro vom Konto ausbezahlt bekommt, für die Miete.

Doch nach fünf Monaten versiegte der Geldhahn, von dem Geld habe sie nie wieder „einen Cent zurückbekommen“, Kontoauszüge nie gesehen. Darüber hinaus wollte der Versicherungsmakler noch Geld von ihr geliehen haben: 27 000 Euro habe sie ihm gegeben. Auch die – futsch. Die beiden jungen Männer, ihr früherer Arbeitgeber im Café, in dem sie gekellnert hatte, und dessen entfernter Bekannter, habe sie nicht gebeten, Druck bei ihrem Schuldner zu machen. Als sie gerade wieder einmal mit dem Versicherungsmakler telefoniert und nach ihrem Geld gefragt habe, hätten die zwei Männer ihr das Handy aus der Hand genommen und das Gespräch übernommen. Offenbar wollten sie helfen. Nachdem sie zum Versicherungsbüro gefahren sind, hätten ihr die zwei Männer gesagt, man habe nur „geredet“.

Ungereimtheiten und Lügen

Das Schöffengericht versuchte am Freitag, die verschiedenen Zusammenhänge in mühevoller Kleinstarbeit zu beleuchten – und stolperte über Ungereimtheiten und Lügen. Aussagen des Versicherungsmaklers deckten sich nicht mit denen seines engen Mitarbeiters. Hinzukommt: Dass ein Makler so eine hohe Summe wie 25 000 Euro mal eben so in einer Schreibtischschublade aufbewahrt, erschien der Staatsanwältin „lebensfremd“, und dass er die Angelegenheit in keinster Weise schriftlich festhielt (und sich damit absicherte), erst recht.

Hingegen bewertete der Vorsitzende Richter die Aussagen der Frau als „sehr glaubhaft“. Man sei „überzeugt“, dass die Frau einen rechtmäßigen Anspruch auf Rückzahlung ihres Geldes habe. Doch letztendlich war das nicht die Sache des Gerichts, sich damit zu beschäftigen. Was die angebliche Erpressung betraf, stand Aussage gegen Aussage. Was genau am 13. Mai 2019 passierte, dazu gibt es „keine sichere Feststellung“, befand das Gericht. Das bedeutete einen Freispruch für den 29-Jährigen. Der Versicherungsmakler hatte noch vor dem Urteil den Saal verlassen.