Kommentar zur Bayer-KriseWenn Seoane keine Mannschaft findet, geht der Fall weiter

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Seoanekommentarbild

Gerardo Seoane und Jonathan Tah

Leverkusen – Nackte Zahlen genügen, um die Situation von Bayer 04 Leverkusen im deutschen Fußball zu beschreiben. Noch nie ist der Werksklub mit vier Niederlagen in eine Saison gestartet. Noch nie hat er in jedem der ersten vier Spiele in den ersten zehn Minuten das 0:1 hinnehmen müssen. Die Ausbeute von einem erzielten Tor in den ersten drei Bundesligapartien ist ebenso rekordverdächtig. In einem Hochleistungsgeschäft wie dem Profifußball kann so etwas nicht folgenlos bleiben.

Der Anspruch von Bayer 04 ist Platz eins bis vier, die Sehnsucht gilt einem Titel, der Kader ist mit teurem Talent gespickt. Der Trainer muss sich verantworten. Noch wird Gerardo Seoane von den Geschäftsführern geschützt. Sie würden den Schweizer nur ungern fallen lassen, denn er ist Teil eines Projekts, auf das man noch vor wenigen Tagen sehr stolz war.

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Die Vertragsverlängerungen und Treuebekenntnisse der Top-Spieler Patrik Schick, Florian Wirtz und Moussa Diaby wurden ebenso gelobt wie das analytische Arbeiten des Cheftrainers mit seinem großen Stab von Assistenten. Man staunte über Gerardo Seoanes bemerkenswerte Multilingualität, die es ihm erlaubt, mit fast jedem Profi in dessen Muttersprache zu sprechen. So hat man vergangene Saison gemeinsam Platz drei erreicht. Und alle waren glücklich.

Fußball ist jedoch ein heimtückisches Spiel, in dem sich bei falschen Ergebnissen alle Stärken über Nacht in Schwächen verwandeln können. Das ist Bayer 04 passiert. Weil die teuren Stars blieben und es erstmals seit Jahren keine Millionenverkäufe gab, fehlen die Mittel für spektakuläre Neuzugänge. Abgesehen vom jungen Adam Hlozek kam kein frisches Blut in einen Kader, der genau das jetzt bräuchte.

Gerardo Seoane ist ein Stratege, aber kein Trainer vom Schlage eines Steffen Baumgart, der die Aufmerksamkeit in Krisenzeiten durch massive physische und verbale Präsenz auf sich lenken kann, damit andere ihre Ruhe haben. Außerdem hat er als Serien-Meister mit Bern in der Schweiz den Umgang mit Krisen nicht lernen müssen. Sein Stab arbeitet mit hochmodernen Mitteln und ist in der Lage, alles Gesehene in fußballerische und medizinische Parameter zu zerlegen. Aber keiner findet einen Ausweg.

Die Gründe für diese Krise sind nämlich altmodisch. Auf dem Platz steht kein Team. Also kann es keine Anführer geben. Die Kommunikation ist zusammengebrochen. Elf Mann betreiben Fußball als Einzelsportart im Kampf gegen sich selbst. Und jeder Einzelne geht aus diesen Kampf seit Wochen als Verlierer hervor. Hier muss die Analyse beginnen. Und viel weiter sollte sie erst einmal auch gar nicht gehen. Es muss wieder eine Mannschaft den Platz betreten, sonst geht der freie Fall weiter.