Demo der freien Kölner Kulturszene„Die geplanten Kürzungen werden manchen das Genick brechen“

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Demo der freien Kölner Kulturszene gegen Kürzungen

Demo der freien Kölner Kulturszene gegen Kürzungen

Mit einer spartenübergreifenden Demonstration kämpfen Kölner Kreative gegen Kürzungen im Kulturhaushalt und fordern sogar mehr Geld.

Die freie Kunst- und Kulturszene in Köln schlägt Alarm. Zurzeit wird der städtische Haushalt 2025 geplant, und unter den Kreativen geht die Angst um. „Es steht zu befürchten, dass es in den nächsten Jahren bis 2028/29 Kürzungen von bis zu 17 Prozent gibt. Die freie Szene erhält knapp fünf Prozent des Kulturetats – oder schätzungsweise 0,3 Prozent des gesamtstädtischen Haushalts. Das sind etwa 14 Millionen Euro. Wenn man das um 17 Prozent kürzt, geht es um ungefähr 2,4 Millionen Euro“, rechnet Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhauses und im Vorstand des KulturNetz Köln und der Literaturszene Köln, vor. „Und mit dieser geringen Summe sorgen wir für geschätzt 60 Prozent der Kulturangebote in dieser Stadt.“

Die drohenden Einsparungen mögen aus einer städtischen Gesamtperspektive nicht viel sein, aber für Akteure in der freien Szene könne auch schon eine geringe Kürzung verheerend sein. „Es kann bedeuten, dass Ideen, Projekte und Formate verschwinden. Wenn uns dieses verhältnismäßig wenige Geld in der freien Szene abhandenkommt, wird es manchen das Genick brechen. Wir fordern daher strikt, die freie Szene aus dieser linearen Kürzung rauszunehmen“, so Fischer. 

Die Signale aus der Politik seien bisher vage bis vertröstend

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Weil von diesen Szenarien alle betroffen sind, hat sich ein breites Bündnis über alle Sparten zusammengetan, um sich zu wehren. Am Montagnachmittag kamen die unterschiedlichsten Kreativen zu einer Demo auf dem Theo-Burauen-Platz zusammen, um ihrem Unmut Luft zu machen und an die Politik zu appellieren, sich deutlich zu bekennen.  „Diese Demo ist ein Statement für die gesamte freie Szene. Für uns ist es keine Lösung, innerhalb des Kulturetats Geld hin und her zu schieben. Wir sind über 10.000 Menschen, die in der Szene arbeiten und am Ende geht es nicht um die Zahlen, sondern um die einzelnen Künstler:innen, um die Personen, die in diesem Jahr noch produzieren können und im nächsten Jahr vielleicht Bürgergeld beantragen müssen“, sagt Tänzer und Choreograf Manuel Kisters, der im Vorstand des Verein für darstellende Künste Köln (Vdk) sitzt.

Alle Signale aus der Politik seien bisher vage bis vertröstend, fasst Manuel Moser, künstlerischer Leiter des Comedia Theaters, die bisherigen Bemühungen zusammen, ins Gespräch zu kommen. „Wir müssen bei diesen Prozessen mit am Tisch sitzen. Man kann nicht über die freie Szene ohne die freie Szene entscheiden. Wir sind bereit zu reden, wir leben in dieser Stadt, uns ist die politische Situation bewusst. Man kann uns nicht aus diesen Gesprächen ausschließen“, so Moser, der im Vorstand des KulturNetzKöln und im VdK ist. „Es bräuchte eigentlich gerade jetzt ein klares Bekenntnis, zumindest das, was es gibt, zu sichern. Wir erleben ja Kürzungsandeutungen nicht nur auf kommunaler Ebene. Wie kann man die Kultur auch vor diesem Hintergrund in dieser Stadt bewahren? Da fehlt es an Visionen. Und die vermissen wir auch vom Kulturdezernenten für die freie Szene.“ Für Verunsicherung sorgt auch, dass die Referentin für Darstellende Künste und der Referent für Musik im Kulturamt im Sommer in Pension gehen werden und die Leitung des Kulturamts seit 1. April unbesetzt und weiterhin nicht ausgeschrieben ist.

Gesucht sind Perspektiven für die nächsten fünf bis zehn Jahre

Thomas Gläßer, ebenfalls im Vorstand des KulturNetzKöln und im Vorstand der Initiative Freie Musik IFM betont, Politik und Verwaltung müssten im Austausch mit der Szene tragfähige Perspektiven für fünf bis zehn Jahre entwickeln. „Dazu brauchen wir einen Kulturdezernenten, mit dem wir im Dialog Visionen entwickeln können und der die Mühen der Ebene nicht scheut. Und wir brauchen eine Politik, die ihr erfreuliches Engagement für die freie Szene auch unter schwierigen Bedingungen in die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen und verbindliche Planungen übersetzt.“ Er ist überzeugt, dass auf dem Boden der Solidarität zwischen den Kunstsparten gerade zum ersten Mal das Potenzial einer gemeinsamen Mitgestaltung von Kulturpolitik in der Stadt wachse.

Kürzungen wären auch deshalb verheerend, weil Förderungen häufig aneinandergekoppelt seien, sagt Bettina Fischer. „Das Land fördert mitunter nur, wenn die Stadt auch fördert. Wir holen mehr an Drittmitteln für unsere Arbeit rein, als wir von der Stadt erhalten. Die zur Verfügung stehenden Geldmittel schrumpfen dann also an allen Stellen, und das in einer Zeit, in der man sagen muss: Gerade jetzt brauchen wir die Vielfalt, die die freie Kulturszene bietet. Angesichts von Wahlergebnissen und dem, was uns bevorsteht, ist diese urdemokratische Pluralität, die in unserer Arbeit steckt, so wichtig.“ Die Akquise an Drittmitteln, die die freie Szene erbringt, sei exemplarisch, ist auch Thomas Gläßer überzeugt: „Wir haben Akteur:innen in der Musik, die das Fünf-, Sechs- oder Siebenfache ihres städtischen Zuschusses an Drittmitteln akquirieren. Sie agieren zum Teil national und international, ohne dass das in der Stadt wirklich wahrgenommen wird.“

Langfristig fordert die freie Szene 20 Prozent des Kulturetats für sich ein

Die Bedeutung einer lebendigen Kulturszene für die Demokratie betonen alle. „Wir empfinden es als falsch, gerade in gesellschaftspolitischen Zeiten wie jetzt, Kultur als Erstes auf eine Kürzungsliste zu stellen. Kultur bringt Menschen zusammen. Wir reden gerade viel über Demokratie. Wir reden darüber, wie man jungen Menschen nahebringt, wie wichtig unsere Demokratie und unser Rechtsstaat sind. Kultur ist immer ein Ort, wo man zum eigenen Denken aufgefordert wird“, sagt Manuel Moser. Und Bettina Fischer ergänzt: „Wir reden immer von Köln als wunderbar weltoffenen Stadt. Die freie Szene hat mit ihrer Arbeit einen wesentlichen Anteil daran. Diese Aura einer Stadt, die lebenswert ist, hat Köln ja, und das hängt auch mit der Kultur zusammen.“

Um diese Vielfalt langfristig zu erhalten, sei es deshalb nicht nur wichtig, die Mittel für die freie Szene nicht zu kürzen, sondern sie im Gegenteil sogar auszubauen. „Die freie Szene braucht einen wesentlich größeren Anteil am Kulturetat, um professionell arbeiten und sich entfalten zu können. Wir haben diesen Anteil als mittelfristiges Etappenziel auf 20 Prozent beziffert. Das wäre das Vierfache von dem, was im Moment zur Verfügung steht“, sagt Thomas Gläßer. Es gebe jedoch aktuell keinen erkennbaren Plan der Verwaltung, die enorme Zusatzbelastung durch Inflation und Steigerungen bei den Produktionskosten zu kompensieren.

Selbstbewusster will die Szene in Zukunft auftreten, von ihr könne die Verwaltung schließlich viel lernen. „Wir sind gezwungen, und das ist ja auch etwas Positives, wirtschaftlich zu arbeiten. Wir müssen mit den Mitteln, die wir haben, auskommen. Bei uns gibt es nicht die Möglichkeit zu sagen, wir schließen mit einem Defizit ab, bitte gleicht das aus. Man könnte sich die freie Szene durchaus als Beispiel nehmen für andere Kulturorganisationen“, sagt Manuel Moser. „Dadurch, dass es in der Szene so einen hohen Grad an Engagement und intrinsischer Motivation gibt, haben wir effektive, schlanke Strukturen. Wir machen aus wenig Geld und aus wenig Struktur sehr, sehr viel“, betont auch Thomas Gläßer. Diese Expertise müsse die Stadt viel stärker nutzen als bisher: „Ich habe das Gefühl, wir stehen da mit laufendem Motor und jetzt geht es darum, nicht immer nur auf Reservetank zu fahren.“